Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Morphogenesis

Morphogenesis

Titel: Morphogenesis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Marrak
Vom Netzwerk:
Wolkenerscheinungen, wie wir sie erlebt haben«, erklärte ich. »In der biblischen Berufung Hesekiels zum Propheten beispielsweise steht geschrieben, dass ein ungestümer Wind von Mitternacht her mit einer großen Wolke voll Feuer kam, das, wie es heißt, allenthalben umherglänzte und darin gestaltet war wie vier Tiere.«
    »Du hättest doch Priester werden sollen«, kommentierte Byron.
    »Oder in den Annalen von Thutmosis III., einem Pharao der 18. Dynastie, ist zu lesen, dass im Jahr 22, im dritten Wintermonat und der sechsten Stunde des Tages aus einem hohen Nebel ein Feuerkreis vom Himmel herabstieg. Die Schreiber, die den Nebel sahen, eilten zum Pharao, um über die Erscheinung zu berichten. Thutmosis meditierte über das Ereignis, derweil die Objekte am Himmel immer zahlreicher wurden und dabei heller strahlten als die Sonne. Nach dem Abendmahl stiegen die Feuerkreise im Süden höher auf. Dann folgten die Kreise des Nordens, die des Westens und des Ostens. Als es Nacht war, waren sie allesamt wieder in der Wolke verschwunden und mit ihr zu den Sternen aufgestiegen. Der Pharao ließ Weihrauch verbrennen, um den Frieden im Land wiederherzustellen, und befahl, das Geschehen in den Annalen des Hauses des Lebens zu verzeichnen, damit man dessen immer gedenken möge …«
    »Amen«, machte Byron. »Eine nette Geschichte.« Er sinnierte stumm vor sich hin.
    Mittlerweile spürte ich die Rückenwunde kaum noch, und auch der durchbohrte Arm war vollständig genesen. Würde ich meine Unsterblichkeit bewahren, falls es mir gelänge, diesen Ort zu verlassen?
    »Warum trugst du diese Pharaonenrüstung?«, fragte ich in die Dunkelheit. »Und was hat es mit dieser Immunität auf sich?«
    »Das geht dich wirklich nichts an.« Byron schien meine Neugier nicht sonderlich zu behagen. »Die Immunität ist sowieso zum Teufel, also was soll’s. Vergiss sie. Das mit der Rüstung war schon in Ordnung.«
    »Und diese Harun-al-Raschid-Nummer?«
    »Auch Jesus mischte sich als Mensch verkleidet unters Volk.«
    »Sicher, und Zeus als Stier …«
    »Mach ruhig deine Witze. Ich hatte meine Narrenfreiheit – bis du mir über den Weg gelaufen bist.«
    »Der Aufseher in der Taverne erwähnte eine Dynastie«, erinnerte ich mich. »Ist sie es, der die Chroner unterstehen; ein Herrschergeschlecht von Wesen wie Meret?«
    »Meret?« Byron holte tief Luft. »Nein, Meretseger ist auch nur eine Verdammte, wenn auch eine hochprivilegierte. Die Dynastie, das sind die … Kommandanten dieses Raumschiffes, das Schiffe und Flugzeuge fängt.« Byron gluckste amüsiert. »Mit keinem von denen ist gut Kirschen essen.«
    »Was weißt du über sie?«
    »Kaum mehr als du. Ich weiß nicht einmal, ob sie wirklich existieren, denn niemand – an Bord – hat jemals einen dieser Typen gesehen. Sie sind sozusagen die grauen Eminenzen im Hintergrund.«
    »Ich würde dem einen oder anderen von ihnen wirklich gerne mal ein paar Fragen stellen.«
    »Zum Beispiel?«
    »Zum Beispiel, was sie mit dieser Stadt bezwecken. Wo befindet sie sich? Woraus besteht ihr Fundament? Was atmen wir, Luft? Oder ist dieses Wasser wirklich Wasser? Und wozu all das Grauen?«
    Byron lachte auf. »Du suchst nach einer wissenschaftlichen Erklärung für die Hölle«, stellte er fest. »Hast du denn noch keine Verstorbenen getroffen in diesem Sündenpfuhl?«
    »Doch«, gestand ich. »Aber ich halte diese für ebenso makabere Scherze der Stadtarchitekten wie Meret und die Chroner. Oder glaubst du allen Ernstes, dass es je Geschöpfe wie Kreuzbeißer gegeben hat? Irgendeine Macht hat sich verdammt viele Geschichtsbücher unter den Nagel gerissen und als Bauanleitung für dieses exorbitante Irrenhaus benutzt!«
    »Denk an all die Dinge, die deine Persönlichkeit betreffen. Dinge, die nur du wissen kannst und die nicht in Geschichtsbüchern stehen – geschweige denn sonst wo.«
    Ich schüttelte den Kopf. »Irgendetwas macht sich einen gewaltigen Spaß daraus, mit uns zu experimentieren, Byron. Falls es so etwas wie eine Schaltzentrale für dieses Inferno gibt, wo alles Handeln und Tun koordiniert wird, dann muss es von dort aus möglich sein, auf die Erde zurückzugelangen. Und falls es mir tatsächlich versagt sein sollte, diesen Ort der Verdammnis wieder zu verlassen, dann will ich denen, die für all das Grauen um uns herum verantwortlich sind, zumindest in die Augen blicken! Ich will ihnen ins Gesicht spucken für ihren abartigen Humor!«
    Byron äußerte ein Schnauben und drehte sich von

Weitere Kostenlose Bücher