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Morphogenesis

Morphogenesis

Titel: Morphogenesis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Marrak
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aus dem Weltraum wurden zur greifbaren Bedrohung. Überall sah man fliegende Untertassen, in Amerika, in Europa, in Afrika, sogar in Arabien und Indien. Die Medien waren voll von Berichten über Sichtungen und Landungen. Die Aliens wurden so präsent, dass viele an sie zu glauben begannen. Also war auch ich davon überzeugt, dass dieses Ding hier aus dem Weltraum kam.« Er fischte sich zu meiner Überraschung eine Zigarre aus der Brusttasche seiner Uniform, biss beide Enden ab und steckte sie sich zwischen die Zähne. »Doch jetzt, nach all der Zeit, die ich in diesem Irrenhaus lebe und nichts anderes tue, als Augenblick für Augenblick meine Haut zu retten – nach all der Zeit bin ich überzeugt davon, dass wir in der Hölle sitzen!« Er zündete die Zigarre mit einem goldenen Feuerzeug an, in das ein stilisierter Ibiskopf eingraviert war. Eine Weile betrachtete er die Flamme, klappte das Feuerzeug wieder zu und ließ es in eine der Taschen zurückrutschen. »Ja, mein Freund, wir sitzen in der Hölle. Oder in einer von vielen Höllen, wer weiß das schon.« Nachdenklich paffte er vor sich hin.
    »Woher hast du diese Stinker?«
    Byron sah mich amüsiert an. »Aus demselben Haus wie die Laternen …«
    Ich griff in seine Jacke, fischte das Feuerzeug wieder hervor und tippte auf die Gravur. »Das ist ein Chons-Symbol«, erklärte ich. »Wer bist du?«
    »Dein Beschützer?« Byron lächelte säuerlich, zauberte eine zweite Zigarre hervor und bot sie mir an.
    »Danke, ich rauche nicht«, lehnte ich ab.
    »Dann tust du es ab jetzt!« Er steckte mir die Tabakrolle in den Mund. »Und glaub mir: Verrecken tust du nicht hieran. Niemand verreckt hier, wenn man ihn in Ruhe lässt. Niemals.« Dann widmete er sich dem Genuss seiner eigenen Zigarre. »Ewiges Leben«, sinnierte er freudlos, »ist’s nicht das, wovon alle träumen? Oder womöglich ewiges Leiden?« Er musterte mich. »Nun steck dir das verdammte Ding endlich an!«
    Ich entzündete die Zigarre, zog ein paar Mal daran, um die Glut zu entfachen, und bekam einen Hustenanfall.
    »Na also«, meinte Byron, »gar nicht so schlecht für den Anfang. Tut vor allem der zerstochenen Lunge gut. Wenn du allerdings das Gefühl hast, kotzen zu müssen, dreh dich bitte in die andere Richtung.«
    »Wie kann einem so etwas nur schmecken?«, krächzte ich.
    »Lehn dich zurück und schließ die Augen, es ist gar nicht so schwer. Für eine Weile sind wir hier sicher und haben unsere Ruhe.«
    Byron löschte seine Lampe wieder, und da es hier sowieso nichts zu sehen gab, folgte ich seinem Rat. Paffend und das erste Mal seit langer Zeit entspannt, lag ich im Halbdunkel und rekapitulierte, was mir seit meiner Ankunft widerfahren war. »Mit dem Gedanken, mich in einem Raumschiff zu befinden, kann ich mich eher anfreunden, als mit der Vorstellung, in der Hölle zu schmoren«, lautete mein Resümee.
    »Es ist deine Sache, was du glauben willst. An der Situation ändert es nichts.«
    »Hast du dieses Inferno schon einmal von außen gesehen?«
    Byron zögerte. »Nein.«
    »Es schwebt in einer Wolke über die Welt, in einem riesigen schwarzen Monolithen.«
    »Das ist nur die Nordsäule«, erklärte der Schwarze.
    »Sagtest du nicht eben …«
    »Man hat mir davon erzählt«, unterbrach mich Byron. »Mehr nicht, okay?«
    Ich zuckte die Schultern. »Ich definiere ›Hölle‹ als einen Ort der Unterwelt«, sagte ich. »Als Abgrund, nicht als Wolkenstadt. Womöglich bin ich zu sehr von meinen Beruf geprägt …«
    »Bist du etwa Priester?«
    Ich lachte auf und verschluckte mich am Zigarrenqualm.
    »Was ist daran so witzig?«, beschwerte sich Byron. Die Glut seiner Zigarre erhellte sein Gesicht im Dunkeln. »Du wärst nicht der erste Priester, der zur Hölle gefahren ist. Bist du’s oder bist du’s nicht?«
    »Ich bin Archäologe.«
    Nun war es der Schwarze, der in Gelächter ausbrach. »Archäologe«, japste er. »Ich fasse es nicht. Christliche Archäologie? Mesoamerikanistik?«
    »Ägyptologie …«
    Byron bildete mit seinen Händen einen Trichter vor dem Mund und brüllte in den Tunnel: »Hört ihr, ihr Schwanznasen, er ist ein Ägyptologe!« Ich blickte gelassen aufs Wasser, bis er sich wieder beruhigt hatte. »Oh, Mann«, hechelte der Schwarze, »einem von eurer Sorte wollte ich schon immer mal begegnen.«
    »Seit wann bist du hier?«
    Byron wurde schlagartig melancholisch und sah mit tränenfeuchten Augen in irgendeine Ferne. »Seit dem 14. Dezember 1956 …«
    Er schwieg, doch ich glaubte zu

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