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Morphogenesis

Morphogenesis

Titel: Morphogenesis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Marrak
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langsam beruhigende Wasseroberfläche, dann wanderte sein Blick über die Felder, und er erkannte, dass zumindest Arat-El fast wieder zur Gruppe aufgeschlossen hatte. Er humpelte kaum zwanzig Schritte hinter ihnen her.
    »Das ist der Frevler Anteil bei den Aufsehern«, sprach Tetah-El. »Der Gewalttätigen Erbe. Sie bauten sich wie Spinnen ihre Häuser, doch der Schrecken holte sie ein wie eine Wasserflut, der Sturmwind trug sie fort bei Nacht. Er stürzte sich schonungslos auf sie, verflucht ist ihr Anteil auf der Welt. Dürre und Hitze rafften die Lebendigen fort. Gewürm labt sich nun an ihrem Fleisch, nie mehr wird ihrer gedacht. Die Aufseher rissen die Frevler hinweg mit ihrer Macht. Ihre Türme gaben ihnen Sicherheit, sie vertrauten darauf; doch seine Augen überwachen ihre Wege. Sie kamen heraus für kurze Zeit, dann war es aus. Alle wurde sie von seiner Faust gepackt und wie Ährenspitzen abgeschnitten.« Er wandte sich um, als Arat-El ihn scheppernd erreicht hatte, und fragte: »War es nicht so, Bruder? Wer straft mich Lügen und bringt mich zum Schweigen?«
    »Ich werde es tun, wenn du nicht endlich dein Maul hältst!«, knurrte Arat-El. »Sieh lieber zu, wo du hintrittst, damit du nicht so endest wie die Kiesel.«
    Tetah-Els abgetrennter Arm warf einen faustgroßen Stein in Arat-Els Richtung, der diese Reaktion offensichtlich erwartet hatte und dem Geschoss flink auswich. Im Gegenzug gab Arat-El dem Kopf an der Schnur einen Tritt. Der Schädel entledigte sich eines Großteils seiner eingesammelten Knochen, als er über die Felsen polterte. Tetah-El selbst verlor das Gleichgewicht, als ihm der Kopf zwischen die Füße rollte. Bemüht, nicht darauf zu treten, stolperte er in die Felder und riss zwei Thoraxe mit sich, die krachend mit ihm zu Boden gingen.
    »Du Bastard!«, ächzte Tetah-El, während er wütend die Rippen beiseite wischte und unbeholfen wieder auf die Beine kam. »Du verdammter Bastard!« Er spuckte verächtlich einen Schwall Öl aus, wobei die Substanz fast seinen zweiten Schädel traf, der auf dem Boden lag und mit seinem Mund Bewegungen machte wie ein hungriger Karpfen. »Ich werde ihm über diesen Vorfall Bericht erstatten!«
    Arat-El winkte ab. »Nur zu, aber gib Acht, dass du zuvor auch all das nach Hause schleppst, was dir gehört.«
    Tetah-El verschluckte seine Erwiderung, wandte sich ruckartig um und stakste davon. Arat-El machte gegenüber Ka eine entschuldigende Geste, zu der nur eine ramponierte Maschine fähig war, und humpelte seinem Artgenossen hinterher. Ka ließ sich Zeit, den beiden zu folgen. Er hielt eine Weile nach Ur-El Ausschau in der Hoffnung, dieser hätte sich wieder so weit zusammengeklaubt, um seinen Marsch fortzusetzen, aber sein Blick wurde enttäuscht. Nichts bewegte sich in den Feldern.
    Für einen Moment hielt Ka inne und studierte die schwerfälligen Bewegungen der Wolken, die sich über die Ebene wälzten. Die Sonne hing wie ein grimmiges Auge über dem Horizont. Ka starrte eine Weile in das tiefrote, unheilvolle Glühen hinter dem Schleier aus Rauch und Knochenstaub, dann nahm er eine unheilvolle Veränderung des Himmels wahr. Er legte den Kopf in den Nacken und wurde auf einen riesigen Schatten aufmerksam, der unmittelbar über ihm die Wolken verdunkelte. Es sah aus, als ob der Mond auf die Erde stürzte. Zwei, drei Herzschläge lang stockte Ka der Atem, dann durchbrach das herabstürzende Objekt die Wolkendecke und hielt in seinem Sturz inne.
    Ka machte ein paar lächerlich anmutende Schritte rückwärts, verlor das Gleichgewicht und fiel hilflos zu Boden. Mit weit aufgerissenen Augen starrte er in den Himmel, aus dem ihn ein riesiges Gesicht aus Stein ansah. Gelähmt vor Entsetzen ließ Ka seinen Blick über die hohe, gewölbte Stirn wandern, die von riesigen Steinlocken umrahmt wurde; über die buschigen Augenbrauen, unter denen raubvogelartige Augen glühten, über die schmale, gekrümmte Nase und den breiten Mund mit den scharf geschnittenen Lippen – alles aus Stein.
    Das Gesicht musterte Ka schweigend, dann blinzelte es, und der riesige Mund verzog sich zu einem herrisch-spöttischen Lächeln. Einen Augenblick später stieg es wieder empor und wurde von den Wolken verschluckt.
    Obwohl die Erscheinung längst wieder verschwunden war, blieb Ka reglos liegen, die Hände tief in den verbrannten Boden gekrallt und starr vor Angst.
    Was, in aller Welt, hatte er da eben gesehen?

 

     
     
    Es wurde tatsächlich dunkler …
    Der Himmel verfinsterte sich

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