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Morphogenesis

Morphogenesis

Titel: Morphogenesis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Marrak
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Hippolyt Krispin. Nichts!«
    Ich starrte Byron an, der spöttisch lächelnd zu mir herübersah – dann sprang ich auf und stürzte aus dem Gewölbe.

 

     
     
    »Gelobt sei der Erhalter«, verkündete Tetah-El. »Vollkommen ist, was er tut, denn alle seine Strafen sind recht. Doch ein falsches, verdrehtes Geschlecht fiel von ihm ab, Verkrüppelte, die nicht mehr seine Söhne waren. Sie wohnten in den Tiefen, in den Abgründen, auf den Ebenen, wo wildes Getier heulte. Sie verstießen die Aufseher, die sie geformt hatten, und verachteten den Fels, der sie gerettet hatte. Sie weckten ihre Eifersucht, reizten ihren Zorn durch eigene Schöpfungen. Sie entfachten ein Feuer, das bis in die unterste Totenwelt loderte; das die Erde verzehrte und alles, was auf ihr wuchs. Ein Feuer, das die Fundamente der Türme schmolz.«
    Ka verdrehte entnervt die Augen. Seit geraumer Zeit lief er allein hinter Tetah-El her, da Ur-El und Arat-El es vorzogen, sich ständig in ihre Einzelteile aufzulösen. Alle paar Kilometer fielen sie auseinander und benötigten eine endlose Zeit, um ihre Gliedmaßen und künstlichen Innereien wieder zusammenzusammeln und zur Gruppe aufzuschließen. Ohne die Autorität von Ur-El blieb Ka Tetah-Els nervtötendes Geschwätz über den Alten Krieg nicht erspart. Die altersschwache Maschine redete und redete ohne Unterlass, ganz im Gegensatz zu Arat-El, dessen Einsilbigkeit Ka mittlerweile herbeisehnte. War Arat-El nicht gerade mit Reparaturarbeiten an sich selbst beschäftigt, begnügte er sich damit, in wenigen Sätzen zu schildern, was ihm durch den rostigen Kopf ging, um anschließend wieder für Stunden in Schweigen zu verfallen. Tetah-El hingegen gefiel sich in der Rolle des langatmigen Chronisten.
    »Hier sind sie aufgereiht, die Vergangenen«, salbaderte er und deutete über die Felder. »Sie sind am Himmel schlafen gegangen, sprechen keine Urteile mehr. Der Richter der Wahrheit hat sich verschleiert, die heiligen Orte sind ruhig und dunkel …«
    Tetah-Els künstliche Unterlippe glich einer fetten Raupe, rot und runzlig, mit schwarzen Punkten getrockneten Öls auf ihrem dicken Leib. Sie war in seinen Mundwinkeln faltig, während ihr breiiger Körper fettig glänzte. Ka stellte sich vor, wie sie sich von Tetah-Els Mund löste und ihm übers Gesicht kroch auf der Suche nach Nahrung für seine pathetischen Reden.
    »Wehe dir, der du allezeit zerstörst und selbst nie zerstört worden bist«, rief die Maschine in die Wolken, während sie ihren Ersatzkopf und den Arm an den Schnüren, die sie sich aus Streifen ihres Uniform-Umhangs geknotet haben musste, hinter sich herzog. »Dies war das Heer der Heere, das dich entzweit hat über deinem Volk! Wehe dir, du Empörer, gegen den sich äonenlang niemand mehr empört hat. Die Aufseher leben nicht mehr, mit all dem Herrschen hat es ein Ende. Doch an deinem Palast ranken sich Dornen empor, in deiner Burg wachsen Nesseln und Disteln. Dein Turm wird zu einem Ort für Schakale, zu einem Platz für Ungeziefer. Spinnen und Würmer treffen sich dort, die Toten begegnen einander. Für immer sollen sie ihn besitzen, von Generation zu Generation darin wohnen. Es gibt keinen Thron mehr für dich! Ihr Tore, hebt euch empor! Hebt euch, ihr uralten Pforten!«
    Ka schielte erwartungsvoll gen Himmel, doch in den Wolken tat sich nichts. Schließlich beobachtete er wieder Tetah-Els auf und ab hüpfenden Zweitschädel. Er fand es lustig anzusehen, wie der Kopf über die Steine geschleift wurde und ab und zu mit dem Gesicht im Dreck pflügte, um mit dem halb offenen Mund kleine Knochen aufzusammeln. Sie verschwanden hinter seinen Metallzähnen. Tetah-Els abgefallener linker Arm, den er an eine zweite Schnur gebunden hatte, griff im Vorbeirutschen sporadisch faustgroße Kiesel auf und warf sie in den Bach, an dessen Ufer sie entlangliefen.
    Etwas in der Strömung folgte beständig ihrem Weg. Es wühlte die Wasseroberfläche auf, wenn es sich bewegte und nach den Steinen schnappte, sobald sie eintauchten. Ka hörte das dumpfe Knallen, wenn die Kreatur sie mit den Kiefern zermalmte, als wären es Nüsse. Um das Geschöpf zu provozieren, trat er einen mächtigen Stein in den Bach. Das Wasser begann zu brodeln und zu gischten, und einige Augenblicke lang sah Ka den Kopf des Wesens, das ihnen folgte. Es glotzte ihn an, während es seine vier stählernen Kiefer öffnete, um sie mit einem lauten Krachen wieder zu schließen. Dann tauchte es unter. Erschrocken starrte Ka auf die sich

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