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Morphogenesis

Morphogenesis

Titel: Morphogenesis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Marrak
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vor die Öffnung.
     
    Die Zeitspanne, während derer es vollkommen dunkel wurde, schien kaum zwei Stunden zu umfassen. Mit dem Einbruch der Nacht veränderten sich auch die Geräusche der Stadt. Im Grunde wurde es leiser, doch die Laute, die dafür einsetzten, waren umso Furcht erregender. Wehe jenen, die bisher kein Versteck gefunden hatten …
    Zum ersten Mal bemerkte ich nun, dass die gesamte Stadt glühte. Es waren nicht die Wohnungen der Häuser oder gar das Gestein, das leuchtete, sondern die Zwischenräume. Die Stadt glühte wie eine Neonmetropole im Dunst, flackernd und blitzend, fast so, als hätten ihre Bewohner überall auf den Straßen riesige Feuer entfacht, um Autodafes zu zelebrieren …
    Gesang war zu hören. Er klang dumpf und weit entfernt. Ich trat ans Fenster, um ein paar Brocken davon zu verstehen, und wurde auf die Lichtfinger aufmerksam. Patrouillenboote kreuzten lautlos auf dem Fluss, grauschwarze Schatten, die ihre Suchscheinwerfer über das nachtschwarze Wasser, die Häuserfronten und die Öffnungen der Schächte wandern ließen. Über den Verlauf der Wasserstraße hinweg blickend, erkannte ich Dutzende von Lichtsäulen.
    Ein tiefes, rhythmisches Surren brachte die Mauern zum Vibrieren und ließ mich aufschauen. Über den Turm schob sich der Schatten eines Paraboliden. Ein innerer Instinkt riet mir, mich zu ducken, um keine Aufmerksamkeit auf mich zu lenken. Über den Fenstersims hinweg beobachtete ich das monströse Flugobjekt. Es ähnelte in seiner Form einem an der Spitze abgerundeten Kegel mit einem Bodendurchmesser von über fünfzig Metern und war völlig unbeleuchtet. Seine Besatzung brauchte dennoch keine unerwartete Kollision zu befürchten, denn außer den Paraboliden war es Elijah zufolge keinem anderen Flugobjekt erlaubt, den Luftraum über der Stadt während der Dunkelphase zu verletzen. Wer es dennoch tat, wurde ohne Vorwarnung abgeschossen.
    Ich hob meinen Kopf, fasziniert von dem Geschehen, das sich am Nachthimmel abspielte. Dutzende der wuchtigen Schiffe sanken aus den Wolken herab, wachsame Giganten, deren Kameras unablässig das Geschehen in den Straßen und Gassen, den Kanälen und Hinterhöfen beobachteten und das Treiben der Menschen observierten. Wenn ich Elijahs Worten Glauben schenken durfte, wurden selbst die unmittelbar unter den Hausdächern gelegenen Wohnungen von den Kameras der Unsichtbarkeit entrissen. Büßer, die in Ungnade fielen, wurden daher mit Vorliebe in die Dachwohnungen einquartiert.
    »Es existiert eine Maxime in dieser Stadt«, hatte Elijah erklärt. »Privilegierte und Diener der Herrschenden genießen Immunität und Privatsphäre in den Untergeschossen – mit schalldichten Wänden und Türen und strahlenisolierten, nach außen verspiegelten Fenstern. Bürger mit geringfügigem Strafregister werden der Schallisolierung und Verspiegelung beraubt. Wiederholungstäter und mittelschwere Fälle werden zur eindeutigen Warnung in die oberen Geschosse verlegt – in Wohnungen, die unmittelbar unter den gefürchteten Dachwohnungen liegen, mit Fenstern ohne Scheiben, um den Paraboliden uneingeschränkte Einsicht zu gewähren. Die Unverbesserlichen steckt man in die Mansarden – oder verfrachtet sie sofort in die Bußsektoren.«
    »Das bedeutet, dass nicht die gesamte Stadt der Strafe dient«, hatte ich daraus geschlossen.
    »Strafe ist ein dehnbarer Terminus«, hatte Elijahs Antwort gelautet. »Ob man bis in alle Ewigkeit von anderen gepeinigt wird oder einen Hoffnungslosigkeit und Langeweile quälen, bleibt sich letzten Endes gleich.«
    »Wer steuert die Paraboliden? Die Chroner?«
    »Ich kenne niemanden, der bisher das Innere eines solchen Luftschiffes erblickt hat«, hatte der Rabbiner zugegeben.
    »Vielleicht steuern sie sich selbst«, hatte Byron eingeworfen. »Wie fette, schwarze Drohnen. Sie sind nicht auf Licht und Suchscheinwerfer angewiesen wie die Patrouillenboote auf dem Fluss oder in der Lagune. Den Kameras unter ihren Metallbäuchen entgeht kaum eine Bodenbewegung, ganz zu schweigen von ihren Strahlenkanonen.«
    Ich sah dem gigantischen Schatten über dem Turm hinterher. Das bedächtig um seine Längsachse rotierende Schiff schwebte langsam über den Fluss und verschwand schließlich im Dunst. Erst als die schwarze Masse kaum noch zu sehen und ihr Surren eins geworden war mit den Geräuschen der Stadt, trat ich von meinem Beobachtungsposten an der Fensteröffnung zurück.
    Du bestehst aus derselben Materie wie sie, raunte Giza in meinem

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