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Morphogenesis

Morphogenesis

Titel: Morphogenesis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Marrak
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Kopf. Warum stehst du noch hier rum und hältst Maulaffen feil? Du trägst die Antwort in dir. Alle Antworten …
    Ich blätterte das Essäer-Buch an der markierten Stelle auf und las die handschriftliche Bemerkung und den dazugehörigen Textabschnitt aufmerksam durch. Er beschäftigte sich mit den Bene-Elohim-Stämmen und ihrem Treiben unter den Menschen. Irgendein emotional engagierter Leser hatte mit einem spitzen Federkiel auf den Text eingehackt und dabei mehrere Buchseiten durchlöchert. In schlampiger Handschrift hatte er am Seitenrand zwei bedeutungsschwangere Notizen hinterlassen. Die erste lautete: dominus super coronas. Die zweite: ianua in exitum. [12]
    Der unbekannte Verfasser dieser Vermerke hatte offenbar einen Ausgang aus diesem Inferno gefunden!
     
    Auf der Suche nach Elijah durchkämmte ich den halben Turm. Die meisten Räume, die ich kontrollierte, waren leer oder verschlossen, wobei hinter einigen der Türen Geräusche zu hören waren, als halte der Rabbiner sehr exotische Haustiere darin gefangen. Hinter einer hatte es geklungen wie in einer Fledermauskolonie, hinter einer anderen, als würde man schwere, nasse Säcke über Boden und Wände schleifen.
    Schließlich vernahm ich die gedämpften Stimmen von Elijah und Byron aus einer der obersten Etagen. Auf dem letzten Treppenabschnitt hinauf zur Galerie wartete natürlich Demuarsell und trieb das übliche Spiel mit mir: Machte ich einen Ausfallschritt nach links, folgte sie sofort meiner Bewegung. Wich ich nach rechts aus, tat sie es ebenfalls.
    »Geh mir aus dem Weg!«, fuhr ich sie an.
    »Soll ich dir den Schwanz lutschen?«, gurrte die Spinne.
    »Lass ihn vorbei, Demuarsell!« Elijah balancierte hoch über der Galerie auf einer Leiter und war dabei, Bücherregale von fingerdicken Teppichen aus Spinngewebe zu befreien. Das weißgraue Knäuel um seinen Besen sah aus wie eine riesige Portion schimmliger Zuckerwatte.
    Demuarsell und ich erdolchten einander mit Blicken. Sie blieb jedoch auf ihrer Seite der Treppe hocken, während ich mich an ihr vorbeizwängte. Natürlich kam sie mir nachgekrochen.
    »Wirklich ein Herz und eine Seele«, bemerkte Byron, der in einem Sessel lümmelte und die Beine auf das Geländer gelegt hatte.
    »War mir klar, dass ihr Schwarzen am selben Strang zieht«, gab ich zurück.
    »Ihr beiden solltet mal zusammen Essen gehen«, schlug Byron vor. »Ein Candle-Light-Dinner unter zehn Augen …« Er gackerte über seinen dämlichen Witz und blätterte weiter in dem Buch auf seinem Schoß.
    »Wusste gar nicht, dass du lesen kannst«, stichelte ich.
    »Hab’s mal auf der Erde gelernt.« Grinsend hob er das Buch an, sodass ich den Einband erkennen konnte.
    »De Sade?«
    »Die 120 Tage von Sodom«, bestätigte Byron. »Äußerst fruchtbar.«
    »Mit diesen verfluchten Dichtungen ist es wie mit den Büßern«, jammerte Elijah, dem Byrons Lektüre offensichtlich peinlich war. »Man kann sie in tausend Stücke zerreißen, am Ende fügt sich alles wieder zusammen. Man verbrennt sie, und aus ihrer Asche ersteht das ganze sündige Zeug wieder auf. Verfluchtes pornografisches Teufelswerk, seine anrüchigen Seiten kriechen in meinen Regalen umher und mischen sich unter meine wissenschaftlichen Abhandlungen. Hier!« Er zog ein unscheinbares Büchlein zwischen den Folianten hervor. »Les Chants de Maldoror … Hat sich heimlich hier eingenistet und wuchert still und leise vor sich hin. Schund, Schund, Schund!« Er schmiss es hinab in den Treppenhausschacht, worauf Demuarsell ein klägliches Heulen ausstieß und dem in der Tiefe verschwindenden Band hinterherrannte.
    Elijah blinzelte verschwörerisch. »Dafür wird sie mir wieder sämtliche Türen verweben«, fügte er wehleidig hinzu.
    Ich beugte mich über die Brüstung und sah gerade noch, wie das Buch mit flatternden Seiten in der Finsternis des Treppenhausschachts verschwand.
    »Wie tief geht es da hinab?«
    »Über das Souterrain hinaus?« Elijah beugte sich auf seiner Leiter ein Stück vor und sah Demuarsell nach. »Oh, das weiß ich wirklich nicht. Vielleicht bis zum Mittelpunkt der Hölle. Ich habe einen Pakt mit der Finsternis geschlossen: Ich gehe nicht hinab zu ihr, und sie kommt nicht zu mir herauf. Demuarsell ist die Einzige, die in der Lage ist, bis hinunter auf den Grund zu gelangen – und heil wieder nach oben.«
    »Müsste der Schacht denn nicht unter Wasser stehen?«
    Der Rabbiner zuckte die Achseln. »Bisher war noch keines der Bücher, die sie zurückbrachte, nass

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