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Morphogenesis

Morphogenesis

Titel: Morphogenesis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Marrak
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wenn du in das Innere des Himmels eintrittst, mögen die glänzenden Riegel dir Gruß zurufen, mögen die Türflügel des Himmels dir huldigen! Fast wörtlich dieselbe Überlieferung teilt Plato in seinem Kritias mit. Laut ihm versammelte der Schöpfergott alle Götter in ihrem ehrwürdigsten Wohnsitz, der in der Mitte der Welt lag und einen Blick über alles gewährte, was je des Entstehens teilhaftig wurde. Es war die Fixsternkugel, der Himmel der Bibel, in deren Inneren Gott wohnt.«
    Ich betrachtete die Weltkarte. »Falls die Standorte der Duat-Säulen korrekt eingezeichnet sind, würde das bedeuten, dass Sarara einen Durchmesser von über fünftausend Kilometern besitzt.«
    »Laut meinen Berechnungen exakt 5555 Kilometer.«
    Ich kroch müde in die mit verrottetem Stoff gepolsterte Ecke zurück. »Lassen Sie mich jetzt allein«, bat ich.
    »Die Wahrheit zu begreifen, bedeutet, die Mysterien aufzulösen«, quasselte Elijah, während er die Karte wieder zusammenrollte. »Und das Mysterium des ewigen Todes zu erkennen, bedeutet, diese Stadt zu begreifen. Als Sarara noch mit der irdischen Welt verbunden war, bestand sie aus sechs Lebens- und Bewusstseinsebenen. Diese müssen auch heute noch existieren.«
    Ich kicherte albern und schüttelte den Kopf, was den Schwindel noch verstärkte. »Warum sollten die Betreiber dieses Terrariums weiterhin in Ebenen unterteilen? Das Projekt ist bereits vor Jahrtausenden gescheitert.«
    »Um das, was geschaffen wurde, zu beobachten. Um die Menschen zu kontrollieren. Um uns zu hegen und unserer Entwicklung beizuwohnen, wie alle Gelehrten es tun, die Leben erschaffen haben. Und damit wir nicht wie die Fliegen starben, entwickelten sie die materia prima. Die Bibel sagt, Methusalem lebte 969 Jahre, ehe er dahinschied, Adam 930 Jahre und Seth 912 …«
    »Mondmonate«, dämpfte ich seinen Eifer. »Man übersetzte die Mondmonate als Jahre. Bei 969 Monden wurde Methusalem gerade mal 75 Jahre alt.«
    »Woher wollt Ihr das wissen? Wart Ihr dabei, um es zu bezeugen?«
    »Schluss damit!«, entschied ich, als mir vor Schmerz und Götter-Phantastereien der Schädel zu platzen drohte. »Gehen Sie, oder wollen Sie mir dabei zusehen, wie mich die Droge wieder zum Affen macht?«
    »Mitnichten«, wehrte Elijah ab. »Ich hoffe nur, Ihr findet diesmal mehr Weisheit in Euren Visionen und kommt Eurem Ziel ebenfalls ein wenig näher. Glückliche Reise.«

 

     
     
    Ich fand mich wieder vor einer hell erleuchteten Zelle, wie ich sie in den Tiefen des Turms nie zu finden erwartet hätte: Es war die Kabine eines Fahrstuhls. Die Tür des Lifts stand offen, als ob er auf mich gewartet hätte. Ich trat ein, lehnte mich mit dem Rücken gegen die kühle Metallwand und betrachtete meine Beine. Sie existierten lediglich bis zu den Knien. Erst als ich mich konzentrierte, wurden auch meine Waden und Füße sichtbar.
    Nachdem ich die Tür geschlossen hatte, setzte der Aufzug sich in Bewegung; leise erst, dann immer lauter. Eigenartigerweise konnte ich nicht bestimmen, ob er sich auf- oder abwärts bewegte. Die Schwerkraft in der Kabine blieb konstant. Falls der Lift nach oben fuhr, musste er bei seiner gegenwärtigen Geschwindigkeit das Turmdach durchschlagen. Dann würde es nur einen Lidschlag dauern, bis die Strahlen der Paraboliden die Kabine trafen und mich darin rösteten. Ich schloss die Augen, erwartete den großen Knall. Nichts passierte. Mein Atem setzte wieder ein: Der Aufzug fuhr also nach unten.
    Endlos schien die Fahrt zu gehen; Erdgeschoss, Erdreich, Erdinneres, Erdmittelpunkt … Als die Kabine schließlich stoppte und sich die Lifttüren lautlos teilten, empfing mich ein finsterer Korridor. Ein süßlicher, metallischer Gestank schwebte mir entgegen, den ich nicht mehr gerochen hatte, seit wir Rahmeds Leiche aus der Pyramide am Djebel Uweinat geborgen hatten; der Atem Kupferrots. Tief sog ich die warme, von seinem Duft geschwängerte Luft in die Lungen, dann verließ ich den Lift und stand im Halbdunkel. Das Licht aus der Fahrstuhlkabine warf meinen Schatten zwanzig Meter lang in den Korridor. Er besaß keine Beine, zu erkennen waren lediglich der in groteske Länge verzerrte Oberkörper mit dem weit entfernten Kopf, und zwei Arme, die wie Lianen an ihm hingen. Ich sah an mir herab. Unterhalb der Hüfte verblasste mein Körper zu transparenten Schlieren. Dennoch fühlte ich deutlich meine Füße, die Ferse an Ferse auf dem Boden standen.
    Die Lifttüren schlossen sich, und der Aufzug fuhr wieder

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