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Morphogenesis

Morphogenesis

Titel: Morphogenesis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Marrak
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nach oben. Dunkelheit umfing mich. Der gesamte Komplex bestand für einen unerträglich langen Moment nur noch aus entstellter Wahrscheinlichkeit und ungebundener Materie. Ich tastete die Wand ab, stieß auf eine Leiste von Schaltern und drückte sie der Reihe nach. Augenblicklich wurde der Korridor von blendender Helligkeit durchflutet. Nur in der Ferne verschwommen weiterhin die Formen. Ich folgte dem grau gekachelten Gang. Alles war grau, Wände wie Decke, und der Fußboden war mit poliertem, grauem Marmor gefliest. Lediglich Kupferrots Spur, die in regelmäßigen Abständen den Boden befleckte, bot einen Kontrast zur bleifarbenen Eintönigkeit.
    Ich überlegte, wo ich mich befinden mochte. Vermutlich zwischen den Fundamenten der Stadt, oder irgendwo in ferner Vergangenheit, an einem namenlosen Ort aus Merets Erinnerung.
    Hinter einer Biegung wäre ich um ein Haar gegen einen mächtigen Glaskasten gelaufen, der von starken Ketten gehalten mitten im Korridor hing. Ein enger Schlitz, unter dem eine schmale Schreibplatte befestigt war, bildete die einzig sichtbare Öffnung. Das Geschöpf im Inneren des Gehäuses hob ruckartig den Kopf und musterte mich misstrauisch. Meine Verblüffung war groß, denn vor mir hockte kein Geringerer als Okabur, der Corrigan!
    »Einen Moment!«, schnarrte er, als ich Anstalten machte, an dem Glaskasten vorbeizuschlüpfen. »Die reguläre Besuchszeit ist vorüber. Sie gehören nicht zum Wachpersonal und sind auch keine Reinigungsmaschine. Bitte identifizieren Sie sich!«
    Unter meinem Gesicht begann sich etwas zu bewegen; zaghaft erst, dann immer intensiver, bis es sich schließlich aufrichtete und meinen Kopf um das Dreifache aufblähte. Ich schlug mir mit der flachen Hand gegen die Stirn, worauf das Wachstum abrupt endete. Zögernd sanken meine Gesichtszüge wieder in sich zusammen und erstarrten.
    Der Corrigan nickte zufrieden. »In Ordnung«, knurrte er, »Ordnung muss sein, Sie wissen ja. Hier noch eine Paraphe, bitte!« Er schob mir ein Blatt mit einem maschinengeschriebenen Text durch den Spalt entgegen, dazu einen Stempel.
    Ich beugte mich über das Formular und las:
     
    Ich, Kematef, gehorsamer Diener der Mächtigen des Raumes, der ich hier an der Schwelle zwischen dem angenehmen Land und dem schrecklichen des fernen Raumes stehe, gelobe, keine Kobolde bei mir zu tragen; weder von roter Farbe, noch von graubrauner oder von schwarzer. Des Weiteren beteuere ich, dass meine eigenen Waffen sich gegen mich selbst kehren werden, falls ich diesen Eid breche.
     
    Ich nahm den Stempel und drückte ihn unter den Text.
     
    IN ORDNUNG!
     
    prangte daraufhin in dicken, roten Lettern auf dem Schriftstück. Papier und Stempel schob ich zurück durch den Spalt.
    »Alles in Ordnung«, bestätigte der Corrigan zufrieden, nachdem er das Formular überprüft hatte. »Sie können passieren. Gehen Sie! Gehen Sie!«
    Ich nickte ihm stumm zu und ging weiter. Kupferrots Spur führte mich zu einer geschlossenen Tür. Wieder geriet mein Gesicht in Bewegung, ein Wallen, das im Bereich zwischen Haaransatz und Nasenwurzel stattfand. Mein Blick wanderte hinauf zu einem gelben Kasten mit einer leuchtenden Aufschrift in Kobe: SIHR. Dann zu der in die Wand integrierten Wählscheibe eines antiken Telefons. Offenbar mischte sich meine Erinnerung nicht nur mit derjenigen Merets, sondern auch mit Gedankenfragmenten aller Personen, mit denen ich auf meiner Flucht etwas heftiger aneinander geraten war.
    Ich strich mit den Fingern über die Löcher der Scheibe und wählte schließlich blind eine Nummer. Augenblicke später vernahm ich das Zurückgleiten schwerer Bolzen, worauf die massive Tür geräuschlos nach innen aufschwang. Ein grausam-süßlicher Geruch sprang mich an wie ein unbegreifliches Tier, das jenseits der Pforte gelauert hatte. Kupferrots Geist flutete über mich hinweg und entwich in die Freiheit des Korridors …
    Nachdem ich den Raum betreten hatte, schloss die Tür sich automatisch hinter mir. Riegel schnappten, elektromagnetische Schlösser summten. Sofort erweckte ich das Interesse einer Kamera, die meinen Bewegungen folgte wie ein riesiges metallisches Schneckenauge. Drei hinter Chirurgenmasken verborgene, negroide Gesichter wandten sich mir zu. Ihre Träger besaßen kräftige, hochgewachsene Körper, die in verschlisse Uniformen gekleidet waren. Ich begrüßte sie mit einem knappen Nicken und ließ meinen Blick durch den zunehmend an Details gewinnenden Raum schweifen. Einer der Uniformierten

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