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Morphogenesis

Morphogenesis

Titel: Morphogenesis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Marrak
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wich der Druck, die Intensität ihres Geruches, die Haare und Fühler, die harten, tief in mein Fleisch schneidenden Beine und der weiche, schwammige Leib.
    »Fürchte dich weiterhin, Kematef«, drang ihre sich entfernende Stimme an mein Ohr. »Die Furcht ist der Anfang allen Wissens, so wie das Feuer der Anfang des Lichts ist.« Dann erlosch das Glühen ihrer Augen, und Dunkelheit erfüllte wieder das Verlies.
    Weit über mir begannen sich die Schatten zu bewegen, und ich vernahm das Flattern von Flügeln. Es klang wie ein aufstiebender Schwarm Tauben. Als ich emporblickte, sah ich sie kreisen, fetten Fliegen gleich und in ehrfürchtigen Spiralen nieder sinkend; ein Schwarm missgestalteter Leiber, die nahten, um mich zu verschlingen …
     
    Jemand schlug mir mit der flachen Hand ins Gesicht. Als ich mich zwang, die Augen zu öffnen, erkannte ich mein Gegenüber zuerst nur als verschwommenen Schemen.
    »Was seid Ihr doch für ein Kretin«, fuhr er mich an.
    »Elijah?« Ich blinzelte die sich allmählich deutlicher abzeichnende Gestalt an.
    »Natürlich!«, bestätigte der Rabbiner. In einer Hand hielt er eine Spritze mit einer Kanüle, so dick, dass er damit Mauerritzen hätte verfugen können. Benommen blinzelte ich auf meinen Arm. In das Einstichloch, das im Fleisch klaffte, hätte ich meinen kleinen Finger schieben können. Mein Blick fiel auf die leere Phiole und die rostige Tasse, die neben mir lagen. Ich hatte nahezu das gesamte Meskalin in Wasser gelöst und getrunken.
    »Macht mir nur keine Vorwürfe, junger Freund!«, drohte Elijah. »Ich hatte Euch vor der Droge gewarnt. Ihr habt endlos geschrien und getobt. Wie konntet Ihr so töricht sein und den gesamten Inhalt aufbrauchen?«
    »Ein Versehen …«, log ich.
    »Oh, sicher doch. Wart Ihr in Eurem irdischen Leben womöglich rauschgiftsüchtig?«
    Bohrender Kopfschmerz machte sich bemerkbar, die Umgebung waberte und schwankte. Mein Blick fiel auf Demuarsell, die im Türrahmen kauerte und mich beobachtete. Ich zuckte zurück, doch Elijah drückte mich auf den Boden.
    »Die Wirkung der Droge wird durch die Injektion nur vorübergehend gehemmt«, erklärte er. »Aber ich habe kein anderes Mittel, um sie zu neutralisieren. Früher oder später werdet Ihr also wieder dem Rausch verfallen, bis die Wirkung der Droge von allein nachlässt.«
    »Das klingt wunderbar«, sagte ich mit einem Blick auf den Spinnendämon.
    »Gebt nicht ihr die Schuld an Eurer Einfalt«, tadelte mich Elijah. »Das Gegenmittel, das ich Euch injiziert habe, gewann ich einst aus einem Sekret ihrer Drüsen.«
    »Ach, ist das so?!« Ich schob den Rabbiner beiseite. »Das nächste Mal lassen Sie mich gefälligst in Ruhe!«
    »Nun«, meinte Elijah und verstaute seine Elefantenspritze, »die Gelegenheit, Euer Gezeter zu ignorieren, wird sich in Kürze von selbst ergeben.« Er stand auf, ergriff eine Kartenspindel, die neben dem Eingang an der Wand gelehnt hatte, und schickte sich an, den Raum zu verlassen.
    »Warten Sie!«, rief ich, als er bereits um die Ecke gebogen war. »Verzeihen Sie, aber …«
    »Aber Ihr wisst nicht, ob Ihr noch immer im Rausch seid oder bereits wach.« Elijah schlenderte gemächlich ins Zimmer zurück und sah schweigend aus dem Fenster.
    »Und – bin ich wach?«
    »Vom psychischen Standpunkt gesehen: ja. Physisch betrachtet: nein.«
    »Was soll das heißen?«
    Der Rabbiner wandte sich zu mir um. »Ihr seid ein Iretmeth! Ich kann lediglich für Eure Sarara- Seele sprechen, nicht aber für Euren wahren Körper. Doch falls es Euch beruhigt: Ihr steht im Augenblick nicht unter dem Einfluss der Droge.« Seine Finger trommelten ungeduldig gegen die Kartenrolle. »Darf ich erfahren, was Ihr gesehen habt?«
    Ich erzählte ihm die wirren Visionen, die ich erlebt hatte, wobei der Rabbiner unentwegt den Kopf schüttelte. »Die Droge zwang mich, an allem teilzunehmen«, erklärte ich. »Zu beobachten, zu sehen und zu fühlen. Jedes Entsetzen verharrte um mich herum, bis ich aufgab, ihm zu entgehen. Jede Wunde blieb offen, ehe ich nicht willig war, dem Wuchern des toten Fleisches beizuwohnen. Jede Erinnerung an das Grauen klammerte sich an mich, bis in mir der Widerstand erstarb, ihr zu trotzen.«
    »Ich hatte Euch gewarnt«, wiederholte Elijah. »Diese Visionen stellen Euren Konflikt dar, an diesem Ort gefangen zu sein. Ihr zweifelt.«
    »Woran? Ob es noch Hoffnung gibt oder nicht?«
    »Vermutlich.«
    »Nun, es gibt nur vier Möglichkeiten: Ich bin tot, ich bin am Leben, ich bin

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