Morphogenesis
Plätschern produzierte neben Feuchtigkeit, die von der Decke tropfte, und Gasblasen, die vom Grund aufstiegen, eine unbeschreibliche Geräuschkulisse. Alles, was nicht vom Wasser bedeckt wurde, überwucherten auch hier unten die Pilze und Schwämme; kriechend, pulsierend, sich gegenseitig einverleibend und wieder ausscheidend. Die Luft war warm und stickig. Ein Nebel aus Dampfschwaden, der über dem Wasser lag, verzerrte die Ausmaße der Halle ins Unermessliche.
Inmitten dieses Szenarios, etwa vier Kilometer von mir entfernt, erhob sich ein gewaltiger Steinkubus aus dem Wasser, der durch einen Mast oder eine Säule mit der Decke verbunden war. Was aus der Entfernung wie ein schlankes Lüftungsrohr aussah, musste in Wirklichkeit die Dimensionen eines Großraum-Fahrstuhlschachtes besitzen. Ich suchte die Wasseroberfläche nach einer geeigneten Marschroute ab und schritt – die Eisenstange schlagbereit – in Richtung des Bauwerks. Da ich unter der Wasseroberfläche Untiefen fürchtete, bewegte ich mich vorsichtig auf die nächste große Felsinsel zu, die zwischen mir und meinem Ziel lag. Unterwegs wusch ich mir den klebrigen, zähflüssigen Brei der Pilze vom Körper, doch der Geruch blieb der Gleiche. Meine Waden und Zehen trafen gelegentlich auf nachgiebigen Widerstand und ließen mich an monströse Blutegel und Schnecken denken, die unterhalb des Wasserspiegels umherkrochen.
Die Insel, auf die ich zuhielt, maß etwa fünfzehn Meter in der Höhe und gut vierzig Meter im Durchmesser. Kleine Lebewesen hüpften wie Frösche vom Ufer ins Wasser, als ich an Land trat. Ich stieg über schlüpfrige Felsen zu einem hoch emporragenden Felsbrocken und lauschte dem unbeschreiblichen Lautkonzert.
Auf der gegenüberliegenden Seite der Insel ging ein Felsrutsch nieder. Ich suchte mit Blicken den Trümmergrat ab, als plötzlich der Kopf einer alten, nackten Frau hinter der Inselkuppe auftauchte. Ihr Haar hing ihr in wirren Strähnen über das fette Gesicht und die noch voluminöseren Brüste. Alles an ihrem Körper war unablässig in Bewegung. Sie fluchte und zeterte und spie immerfort zu mir herunter. Ich war über ihr Auftauchen viel zu überrascht, um sofort zu reagieren.
»Bastard!«, schrie die Frau und kam ein paar Schritte näher. »Basssstard, du da unten!« Sie bückte sich und warf kreischend einen faustgroßen Stein nach mir, der mich zum Glück um mehrere Meter verfehlte.
Ich stieß einen lauten Schrei aus, stemmte drohend die Eisenstange über meinen Kopf und fuchtelte damit in der Luft herum. Die Frau gab einen erschrockenen Laut von sich, und so überraschend wie sie aufgetaucht war, war sie auch wieder verschwunden. Kurz darauf hörte ich sie jenseits der Insel durchs Brackwasser schlurfen. Hastig kletterte ich über den Grat, dann schlitterte ich – vorsichtig auf den glitschigen Pilzteppichen balancierend – den Hang auf der anderen Seite der Insel wieder hinab. Dreißig Meter vor mir watete die Alte durchs Wasser davon. Ich holte sie schnell ein und hielt sie am Arm fest, der sich fast so kalt und schwammig anfühlte wie die Pilze. Die Frau schrie auf, wand sich, spuckte, ließ Wasser aufspritzen und fluchte zusammenhangloses Zeug. Ihr Blick aus ihren verquollenen Augen glitt irr umher, ein dicker Speichelfaden rann ihr aus dem Mund. Ich schätzte ihr physisches Alter auf sechzig oder siebzig Jahre. Im ersten Augenblick war ich über ihren Anblick und ihr Gebaren ziemlich bestürzt.
»Lassen! Lass! Loslassen, eh!« Sie wehrte sich weiterhin. Ich schlug ihr ins Gesicht. Der Treffer setzte sich auf ihrem speckigen Körper fort wie eine Welle. Augenblicklich verstummte ihr Geschrei, und sie fing an zu greinen. Ich herrschte sie an, still zu sein, erzielte jedoch erst einen Erfolg, als ich ihr zusätzliche Schläge androhte. Ihr Gesichtsausdruck wurde apathisch, und sie stierte durch mich hindurch.
»Wer bist du?« Die Frau gab keine Antwort. Ich schüttelte sie und wiederholte die Frage.
»Eeh! Nicht. Bin Vana, V-a-a-n-n-a-a…!« Sie verzog den Mund zu einem Grinsen.
»Warum bin ich ein Bastard?«
»Bassssstarrrtt…!« Wieder trat dieser wilde, dämonische Ausdruck in ihr Gesicht. »Keiner holt Vana gute Sachen zum Riechen, darum. Schöne, feine Sachen. Keiner holt sie Vana …!«
Sie begann wieder zu heulen. Ich ließ sie gewähren und fragte mich, ob ich eine durch jahrtausendelange Einsamkeit degenerierte Büßerin vor mir hatte, oder eine der Stadtkreaturen, vor denen Elijah sich fürchtete. War
Weitere Kostenlose Bücher