Morphogenesis
Striemen bedeckt – eine ausgedehnte Lichtung, die von kniehohem Gras bewachsen war. Wir stolperten bis zu ihrer Mitte vor, ließen uns zu Boden fallen und ruhten uns schweigend aus.
Nach einer Ewigkeit hatten wir wieder den freien Pseudohimmel über uns, grau in grau, aber zumindest existent. Endlich konnte ich auch den Limbus wieder sehen. Zwar waren wir ihm nicht bedeutend näher gekommen, doch das seltsame Artefakt an der Felswand erschien nun fast schon greifbar. Zwei bis drei Kilometer, so schätzte ich, waren es noch, die uns von dem vermeintlichen Aufzugsschacht trennten.
Nachdem sich unsere geschundenen Körper regeneriert hatten und frische Haut unsere Wunden bedeckte, beschlossen wir, direkt auf den Limbus zuzulaufen und das letzte Stück an seiner Flanke entlangzumarschieren. Doch kaum hatten wir uns erhoben, drang unvermittelt ein heftiges, rasch näher kommendes Bersten und Brechen vor uns aus dem Dschungel. Es klang, als bahne sich etwas Kolossales seinen Weg durch den Wald und walze alles nieder, was ihm unterkam. Dann, nachdem es die letzten Bäume beiseite gebogen hatte, als durchquere es ein Maisfeld, erschien es am Rande der Lichtung und blieb abrupt stehen.
»Haa, Ammoniter!«, dröhnte aus seiner Kehle eine Stimme, die den Boden erbeben ließ. »Hat mich meine Nase doch nicht getäuscht!«
An der baumhohen Gestalt, die auf uns zustampfte, war alles massig. Sie besaß einen runden Wanst, über den sich eine mächtige Brust wölbte. All das steckte in einem unförmigen braunen Etwas aus vernähten Fellen, das der Kreatur als Kleidungsstück diente. Aus den Ärmeln sahen Oberarme vom Umfang eines Tanklastzuges hervor. Ihre Hände waren plumpe Pranken, die beim Gehen schwerfällig herunterhingen. Der Körper stand auf kurzen fleischigen Beinen von bronzener Farbe. Um seine Hüften trug der Gigant ein rotes Lendentuch, darunter verborgen pendelte ein Penis von der Größe einer Litfasssäule. Ein Baumstamm, wohl die Keule des Riesen, steckte seitlich im Hüfttuch. Das Gesicht des Bene Elohim besaß gemeine Züge, und die Augen, die aussahen wie zwei rot glühende Bowlingkugeln, wurden von einem Dickicht von Augenbrauen überschattet. Die Nase war lang und gekrümmt, die Mundwinkel der fleischigen Lippen zu einem gehässigen Grinsen gespreizt, das eine Reihe langer, weißer Zähne wie Klaviertasten entblößte. Die kurzgeschorenen, feuerroten Haare auf dem runden Kopf erinnerten mich an ein Feld mit Mohnblumen.
»Das musste ja kommen«, entfuhr es Byron, der stocksteif stehen geblieben war, während ich langsam zurückwich. »Glaubst du noch immer, ich mache Scherze?«
Ich überschlug, aus wie vielen Nano-Partikeln sich dieser Koloss zusammensetzte – und kam zu dem Schluss, dass er hohl sein musste, um nicht unter seinem Eigengewicht zusammenzubrechen oder einfach im Dschungelboden zu versinken. »Welcher von denen ist das?«, fragte ich mit belegter Stimme.
»Ich weiß es nicht«, gestand Byron. »Den sehe ich zum ersten Mal. Wenn uns wenigstens Burmoror oder Yakk Zerphon über den Weg gelaufen wären, mit denen hätte ich vielleicht noch verhandeln können …« Er sah besorgt auf den Giganten. »Aber diesen hier kenne ich nicht.«
Der Riese baute sich vor uns auf und beugte sich mit unheilvollem Blick herab. »Zwei Ammoniter auf einmal«, grölte er, »und einer sogar aus Schokolade! Guten Morgen, Fraß!«
Byron stemmte trotzig seine Hände in die Hüften. Scheinbar war er zu der Ansicht gelangt, Angriff sei die beste Verteidigung. »Wer bist du, dass du hier so protzig herumtönst?«, rief er in die Höhe. Ich verharrte hinter ihm und sah furchtsam auf den Koloss, der mit Vergnügen jeden Tyrannus Rex im Dreieck herumgeprügelt hätte.
Der Bene Elohim wirkte überrascht. »Wer ich bin?«, polterte er. »Wer ich bin?« Er hob eines seiner mächtigen Beine und begann auf der Lichtung herumzutanzen, dass die Bäume wankten. Dazu sang er mit einer Stimme, die mir fast das Trommelfell zerriss:
Asaba ist meine Macht,
Merodach mein Fürst,
meinen Fuß stelle ich auf König Og!
Rabba ward Asche,
Jearim ward Rauch,
mein ist das Land Ammon!
Der Riese hörte auf zu tanzen und äugte bärbeißig auf uns herab. »Ich – ich bin Baal Anak, zwölfter der Emim!« Dann fuhr seine Pranke blitzschnell herunter und packte sich Byron. »Und du bist ein Ammoniter, haaa!«
»Nein!«, schrie der Schwarze erstickt, als ihn der Gigant auf sein weit geöffnetes Maul zuschob. »Ich bin
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