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Morphogenesis

Morphogenesis

Titel: Morphogenesis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Marrak
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mit modernen, in denen uns die Menschen scharenweise über die Kühlerhaube flogen. Interessanterweise blieb das Taxi dabei weitgehend unbeschädigt, äußerte aber seinen Unmut über die außerordentliche Spritztour Richtung Limbus durch böse Kommentare auf der Frontscheibe. Die Aufseher taten gut daran, vor dem heranrasenden Wagen zur Seite zu springen, während die meisten Büßer nicht so reaktionsschnell waren. Zerschmetterte Körper pflasterten unseren Weg.
    Während ich im Fond hin und her geschleudert wurde, saß Byron provokativ lässig auf dem Beifahrersitz, ließ die Noxe durch die Finger kreisen, sah aus dem Fenster und lächelte dabei amüsiert. Ihm bereitete die Fahrt offenbar einen Heidenspaß. Ab und an warf ich einen Blick aus dem Rückfenster, um nach Paraboliden Ausschau zu halten, doch keines der Fluggeräte schien uns zu verfolgen.
    Spindario stritt die meiste Zeit mit seinem Auto, das in derben, glühenden Formulierungen deutlich machte, was es von uns und unserem Ausflug hielt. Erst als Byron drohte, die Frontscheibe einzuschlagen, hörten die Beschimpfungen des Taxis auf. Stattdessen versuchte es durch absichtliches Rammen von Bord- und Grenzsteinen und schlagartiges Einbiegen in Kurven die Fahrt für uns so unangenehm wie möglich zu machen. Während dies Spindario noch mehr Flüche entlockte, johlte Byron bei jedem Hakenschlag und jedem Hindernis, über das wir schanzten, übermütig auf. Ich selbst fühlte mich irgendwann, als hätte man mich zusammen mit zwei Mühlsteinen in einen rotierenden Betonmischer gesteckt.
    Nach etwa einer Stunde Himmelfahrt endete die schmale, schlecht gepflasterte Ausfallstraße, die wir seit einer Weile einsam entlanggerast waren, an einer Barriere aus mächtigen Bäumen. Dichtwucherndes Efeu und meterlange Ranken aus Bartfarn bildete eine undurchdringlich wirkende Wand, die den Wald von ungebetenen Besuchern abzuschirmen schien.
    Spindario brachte den Wagen mit einer Vollbremsung zum Stehen. »Raus!«, befahl er. »Hier ist Endstation!« Er würdigte uns keines Blickes, starrte nur durch die Frontscheibe auf den Dschungel und behielt die Hände um das Lenkrad gekrampft. Zur Bestätigung klappten alle Türen auf und ließen feuchtwarme Luft ins Wageninnere schwappen. »Na, wird’s bald!?«, schnauzte der Fahrer, als ich nicht sofort aus dem Wagen hechtete.
    Ich kletterte mit schmerzenden Gliedern nach draußen. Ehe ich aufrecht stand, drehten die Reifen des Citroën durch. Der Wagen vollführte in einer Staubwolke eine Kehrtwende und katapultierte Byron und mich mit dem ausschwenkenden Heck von der Straße in ein hüfthohes Feld aus klebrigen, stachligen Pflanzen. »Und lasst Euch nie wieder einfallen, den Wagen zu rufen!«, überschrie Spindario das Röhren des Motors aus dem Seitenfenster heraus. »Nie wieder, ihr Pappnasen, kapiert!?« Dann schoss das Taxi davon.
    »Man muss ihm seinen Abgang gönnen«, grinste Byron, als er sich wieder aufgerappelt hatte. Wir befreiten uns von den Dornenranken, wobei die meisten Dornen abrissen und in der Haut stecken blieben. Ich blickte mich besorgt um, in Erwartung eines Trupps Chroner, die uns hier aufgelauert haben könnten. Nachdem auch nach endlosen Minuten niemand am Boden oder in der Luft zu sehen war, wurde ich ein wenig ruhiger. Die Stadt war in der Ferne nur noch zu erahnen. Ich erkannte Rauchschwaden und da und dort eine Turmspitze. Da es inzwischen heller Tag geworden war, hatten sich die meisten Paraboliden in die Wolken zurückgezogen. Es war fast, als wären wir hinaus aufs Land gefahren; in ein trügerisch friedliches Land, das ungekannte Schrecken und Gefahren verbergen mochte …
    »Ein Königreich für eine Rebasche«, sagte ich, als wir schließlich vor dem schier undurchdringlichen Pflanzenvorhang standen.
    »Ich würde lieber zwei Königreiche gegen Flügel eintauschen«, bekannte Byron.
    Nachdem wir uns durch das äußerst widerspenstige Rankengeflecht gezwängt und ein kurzes, dichtbewachsenes Waldstück durchquert hatten, gelangten wir wieder auf offenes Gelände. Kein Anzeichen menschlicher Zivilisation entstellte die archaische Landschaft, es herrschte nur noch die ungezähmte Natur. Hinter dem natürlichen Schutzgürtel aus Dickicht offenbarte sich uns nun ein Panorama, das alles Menschenwerk unscheinbar werden ließ: Vor uns lag ein gewaltiger, dampfender See, der an seinen Ufern von sanft ansteigenden Wiesen umgeben war. Sein Wasser brodelte unheilvoll, die Luft war schwüler als im

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