Morphogenesis
noch immer wie zwei Klauen vorgestreckt – lautlos zu Boden. Verkrümmt blieb er liegen und rührte sich nicht mehr.
Im nächsten Augenblick löste sich etwas Dunkles aus Byron, brach aus ihm hervor wie dichter, schwarzer Qualm, der mir die Sicht und für einen Moment den Atem raubte. Ich fühlte mich wie von einem Druckluftstrahl emporgehoben und meterweit hinfortgeschleudert. Als ich auf dem Boden aufschlug, schwebte der formlose Schatten, aus dem mich ein halbes Dutzend leuchtend roter Minisonnen anstarrten, bereits über mich hinweg.
»Behüte das Hexonnox!«, vernahm ich Merets Ruf, doch da war es bereits zu spät. Aus dem Schatten, der eine unbeschreibliche Kälte verströmte, zuckte etwas Unsichtbares zu mir herab und presste mich zu Boden. Gleichzeitig fühlte ich, wie mir der Würfel aus den Händen gerissen wurde. Im nächsten Moment stieg das schwarze Etwas steil empor und schoss über die Stadt hinweg davon.
»Verflucht!«, stöhnte ich und rappelte mich unter Schmerzen wieder auf. »Was war das denn?«
»Sein Ach- Geist.« Meret blickte dem Schatten nach, bis er von den Wolken verschluckt wurde, dann zog sie den Dorn aus Byrons leblosem Körper und bedachte ihr Opfer mit einem geringschätzigen Blick. »Thot wird nie lernen, wann er aufhören muss!«
»Welche Rolle spielt er in Sarara?«
Meret stieß einen Luftschwall aus. »Er ist der Former. Im Grunde ist er unser aller Erzeuger, und genau dafür hasst er uns.«
Ich betrachtete Byron. »Ist er tot?«
»Natürlich. Aber er wird sich bald erholt haben. Dann wird er sich an nichts von dem erinnern, was ihm wiederfahren ist, wie alle Besessenen.« Merets schlangenhafter Hinterleib bildete sich zurück und nahm die Gestalt zweier schlanker Frauenbeine an. »Und er wird feststellen, dass er der einzige Mensch auf dem Limbus ist, denn du wirst mit mir kommen.« Sie sah mir in die Augen. »Diesmal trägst du kein Schwert in deinen Händen, Kematef …«
»Wie hast du uns gefunden?«
»Ich musste dich niemals suchen.« Sie kam heran und strich mir mit der Handfläche über die Brust. »Ich habe dir Manom geschickt, als Kreuzbeißer sich eurem Versteck in der Unterführung genähert hatte. Ich habe dich aus einem Haus am gegenüberliegenden Ufer beobachtet, während du in Elijahs Turm Unterschlupf gefunden hattest. Mir hast du es zu verdanken, dass Apep dich wieder ausgespuckt hatte. Doch zugegeben, du hast es mir nicht immer einfach gemacht, deinem Weg zu folgen. Einzig Thots Anwesenheit hat mich davon abgehalten, mich dir früher zu offenbaren. Dieser besessene Kerl wollte einfach nicht mehr von deiner Seite weichen. Eure Begegnung auf der Straße der Temper war kein Zufall. Er hatte auf dich gewartet. Ich weiß zwar nicht, wie er von dir erfahren konnte, doch ich wusste, dass er dir nichts antun würde, solange du ihm nützlich bist. Nun allerdings besitzt er, was er durch dich zu finden gehofft hat. Sollte es ihm gelingen, das Hexonnox für seine Zwecke umzukonfigurieren, könnte es ihm einen Weg in deine Welt öffnen. Besser gesagt: in deinen irdischen Körper.«
»Ist das nicht auch dein sehnlichster Wunsch?«
»Von deinem komatösen Chet Besitz zu ergreifen?« Meret ließ ihre Hand sinken. »Keinesfalls. Ich weiß, dass Sahia dich eingeweiht und zur Flucht gedrängt hat. Ich habe sie nicht dafür bestraft. Es ist jedoch keinesfalls mein Wunsch, die Menschen zu unterjochen und mich über sie zu erheben, wie Thot es für sein Anrecht hält. Ich will als Mensch auf deiner Welt leben, er jedoch als Gott. Sein einziges Streben zielt darauf, endlich das Erbe anzutreten, um das er sich seit Jahrtausenden betrogen fühlt. Er wird deine Welt verändern, Kematef.« Sie legte ihre Arme um meinen Hals und hauchte mir einen Kuss auf die Lippen. »Betrachte mich als das wahrhaft geringere Übel.«
Ich versuchte vergeblich, meinen Blick von Meret zu wenden. Wie hypnotisiert starrte ich sie an, verlor mich in ihren gottverfluchten, den Willen verschlingenden Augen. In einem letzten Aufbäumen wollte ich mich ihrem Bann entwinden, doch vergebens.
»Es ist an der Zeit, deine Vergangenheit freizugeben«, flüsterte sie, während sie das Galabiya abstreifte. »Lass mich den Aphoes wissen, dass ich bei dir bin. Lass ihn meine Nähe spüren …«
Ein Hauch von Lavendel betäubte meine Sinne. Ich begann, ihre weiche, warme Haut zu streicheln, bedeckte auf der Suche nach dem Duft ihren gesamten Körper mit meinen Küssen. Er schien irgendwo aus ihrer Mitte zu
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