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Morphogenesis

Morphogenesis

Titel: Morphogenesis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Marrak
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ganz zärtlich ein Messer zwischen die Rippen. Ich wollte mich erschrocken zurückwerfen, doch Sahia schlang ihren linken Arm blitzschnell um meinen Nacken, während sie ihre rechte Hand weiterhin gegen meine Brust presste. In ihrem zierlichen Körper erwachte eine herkulische Kraft. Jegliches Aufbegehren war vergebens, der Griff der jungen Frau unerbittlich. Ich konnte nur in ihre schwarzen Augen starren. Als sie ihre Hand endlich von mir löste und der brennende Schmerz abklang, war der Schlangenreif verschwunden.
    Ungläubig starrte ich auf meine Brust. Sie offenbarte weder eine Fleischwunde noch eine Verbrennung.
    »Du wirst mich vergessen«, raunte Sahia. »Mich und diese Nacht.« Sie fing an, sich langsam wieder auf mir zu bewegen, und ich roch ihren Duft intensiver, als er jemals zuvor ihrer warmen, nackten Haut entströmt war. Ihr Körper wurde zu einem engelsgleichen Ruhepol inmitten einer unheimlichen Metamorphose. Die gesamte Umgebung begann sich zu verändern, zu fließen und bei jedem Lidschlag meiner Augen die Plätze zu tauschen.
    Sahias Bewegungen wurden ungestümer, der Uroboros schien sich im Innern meiner Brust in flammendes Gewürm zu verwandeln, das durch meine Eingeweide ins Rückenmark und von dort bis hinauf in mein Gehirn kroch. Alles um mich herum wurde durchsichtig, begann sich aufzulösen. Ich bildete mir ein, die Skelette der Bäume zu sehen, groteske Knochentürme wie gigantische, aufgerichtete Schlangen, in denen überdimensionierte Herzmuskeln dunkelrotes Blut durch sinnverwirrende Geflechte von Adern pumpten. Die Kronen der Bäume wurden zu riesigen, bloßliegenden Gehirnen, das Gras um mich herum zitterte und zuckte wie die Enden von Nervensträngen. Der Nachthimmel über Kairo verwandelte sich in ein hässliches, formloses Grau, das zur Begleitung eines infernalischen Heulens auf und ab wallte. Das Klagen drang aus den Gebäuden – aus tiefen, schwarzen Schlünden der zu unförmigen Gallertklumpen mutierten Häuser.
    Allmächtiger, was ging hier vor …?
    Sahias entrücktes Gesicht war das einzig Vertraute innerhalb dessen, was uns umgab. Ihr lustvolles Stöhnen bildete einen bizarren Kontrast zu den Misstönen der organischen Abnormitäten, die uns jäh umdrängten. Der Körper der jungen Frau begann zu glühen, verwandelte sich in kaltes, blendend weißes Licht, das heller und heller strahlte und schließlich in einer lautlosen Explosion erstarb.
    »Erinnere dich an deinen Namen für die Ewigkeit«, vernahm ich Sahias verwehende Stimme.
    Ich hatte die Arme schützend über mein Gesicht gelegt. Als ich die Augen aufschlug, war Sahia verschwunden. Völlig benommen von dem, was um mich herum geschah, kleidete ich mich an und stolperte von dem riesigen Berg fort, der einmal das Sheraton-Hotel gewesen war und nun aussah wie ein gigantisches Krebsgeschwür. Der Schlund, aus dem das amorphe Ding brüllte, war so groß, dass ein Einfamilienhaus darin Platz gefunden hätte. Ich presste mir die Hände gegen die Ohren. Alles um mich herum pulsierte, kroch umher, bäumte sich auf, sobald ich mich näherte, und gab grauenhafte Geräusche von sich. Ich konnte keine festen Formen mehr erkennen. Alles zitterte und vibrierte, schien aus dem teigigen Boden zu wachsen wie zu bizarren Skulpturen emporgetriebene Ganglien. Furchterfüllt hetzte ich über die Ebene, die sich neben dem kolossalen Plasmaberg erstreckte. Kleinere, abscheulich anzuschauende Gebilde bewegten sich entlang einer unsichtbaren Grenzlinie auf und ab. Eines von ihnen kam rasend schnell auf mich zu. Ich hörte es brüllen und heulen wie eine Orgelpfeife. Alles an ihm war, als gehöre sein Äußeres nach innen. Es sah aus wie eine Seeschnecke mit riesigen glühenden Augen. Seine Haut war transparent, und durch sie hindurch sah ich etwas in seinem Inneren, das mich auf der Stelle erstarren ließ. Das äußere Ungetüm heulte und schrie, als es mich erreichte, und sein Inneres …
    Gott, dieses Ding in seinem Inneren!
    Ehe ich ihm auszuweichen vermochte, war es mit seinen gleißenden Augen heran. Ein ungeheurer Schlag traf mich, als es mich erfasste, und riss mich ins Dunkel.

 

     
     
    Ich lag auf dem Rücken. Sonnenstrahlen wärmten mich, unter mir fühlte ich dichten, kurzgeschnittenen Rasen. Es roch nach frisch gemähtem Gras, Rosen und Benzin, einer eigenartigen, aber nicht unangenehmen Mischung. Ich lag weich und bequem und fühlte mich gut. Das ewige Konzert der Autohupen klang weit entfernt, Schiffsmotoren tuckerten, und

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