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Morphogenesis

Morphogenesis

Titel: Morphogenesis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Marrak
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Anwesenheit auszusetzen hatte«, resümierte ich schärfer als beabsichtigt. »Ebenso wenig, dass der Portier so tat, als sehe er dich nicht.«
    »Natürlich nicht.«
    »Was ist das für ein abgekartetes Spiel?« Ich schnappte mir ihre spärliche, im Gras verstreute Kleidung und schüttelte sie durch. »Dieser Presseausweis, wo ist der?«
    »Er existiert nicht«, bestätigte Sahia. »Und ehe du fragst: Die Kleider sind gestohlen.« Auf meinen fragenden Blick hin erklärte sie fast entschuldigend: »Ich hatte nichts anzuziehen!«
    »Dann war wohl auch diese Heliopolis-Geschichte gelogen, und die Story mit der Tageszeitung.«
    »Ich brauchte eine glaubhafte Geschichte, ein Leben der Gegenwart. Man lernt hier sehr schnell, solange man den Menschen einfach nur zuhört.«
    »Wer schickt dich? Die Antikenverwaltung? Zahi Abasah? Wer weiß noch von der Ausgrabung und ist am Profit interessiert? Und was soll dieser Kematef-Unsinn?«
    Es wunderte mich, wie ruhig und besonnen Sahia weiterhin blieb. »Du hast Angst«, erkannte sie nach einer Zeit unangenehmen Schweigens. »Seit unserer Begegnung im Sata- Tempel fürchtest du dich.« Ich holte bereits Luft, um etwas zu erwidern, doch sie hielt mir einfach den Mund zu. »Ich habe nicht genug Zeit, um dich mit der Wahrheit zu beunruhigen«, erklärte sie. »Falls du um die Bedeutung eines Kematef weißt, kennst du die Antwort bereits. Sagtest du zudem nicht selbst, die Duat gleiche der irdischen Welt? Begleite mich und schenke mir Leben. Sarara wird all deine Bedürfnisse befriedigen; deine Wünsche, deine Leidenschaften und deinen Forschungstrieb. Du wirst eine Stadt finden, die unzählige Städte in sich vereint.«
    »Welche Städte?«
    »Alle, die versunken sind. Die Ruinen der Welt sind in Sarara vereint. Alles, was je ausgelöscht wurde, unterging oder verfiel, hat sich in ihr wieder erhoben.«
    »Das ist doch vollkommener Blödsinn!«, urteilte ich.
    »Du hast mir ein Versprechen gegeben, Kematef. Ich bin es gewöhnt, ein solches eingelöst zu bekommen. Der Scheck über 22.750 Dollar sollte deine Unannehmlichkeiten ausgleichen.«
    »Du willst mich kaufen?«
    »Leibeignen«, präzisierte Sahia jovial. »Und ich zeige dir, wie du den Aphoes durch den Zoll schmuggelst.«
    Ich stieß die angehaltene Luft aus und sah hinab zur Barke. Nach wirren Überlegungen fragte ich: »Wie lange?«
    »Sechs Nächte.«
    Ich stöhnte auf.
    »Irdische Nächte«, erklärte Sahia, als ob dies an ihrer aberwitzigen Idee irgendetwas ändern würde.
    Kraftlos ließ ich mich ins Gras sinken. »Na schön«, gab ich mich geschlagen. »Fahren wir meinetwegen in dieses Sarara. Aber vorher muss ich zurück ins Hotel und meine Sachen packen.« Und dann schnurstracks zum Hintereingang wieder raus, hinein ins nächstbeste Taxi und ab zum Flughafen, ergänzte ich in Gedanken. Keine zwanzig Kamele brachten mich heute Nacht auf diese Barke! Ich hatte weiß Gott Besseres zu tun, als mich auf dem Nil ausrauben zu lassen und irgendwann als Wasserleiche mit durchgeschnittener Kehle an der Hotelpromenade vorbeizutreiben. Nur fort von diesem verführerischen Sukkubus und diesem Ort. Selbst wenn ich die restliche Nacht in einer überfüllten Wartehalle des Flughafens schlafen musste.
    Sahia lächelte. Dabei sah sie mich jedoch so durchdringend an, dass ich mir einbildete, sie lese meine Gedanken. Um von meinen Fluchtplänen abzulenken, zog ich die Lederschnur mit dem Uroboros über den Kopf und fragte: »Wie nanntest du das Schmuckstück doch gleich?«
    »Aphoes.«
    »Dieses Wort habe ich nie zuvor gehört.«
    »Dann wurde es wohl nicht überliefert.« Noch immer lag dieses analysierende Funkeln in ihren Augen.
    »Gut, nun zu deinem Teil unseres Geschäfts«, forderte ich.
    Sahia zögerte. Dann nahm sie mir das Kleinod so behutsam ab, als ergreife sie eine lebendige, verletzliche Schlange, und streichelte mit den Fingerspitzen über ihre schuppige Goldhaut. Gewandt entfernte sie die Lederschnur und warf sie achtlos ins Gebüsch. Den Uroboros behielt sie in der hohlen Hand. Ich bildete mir ein, widerstrebende Gefühle in ihrem Gesicht abzulesen. Sahias Augen schimmerten, als müsse sie mit den Tränen kämpfen, dann beugte sie sich vor und drückte mir den Goldreif gegen die Brust.
    »Ankh en mitak, Kematef!«, sprach sie leise. Es klang wie ein Abschiedsgruß.
    Ich schielte gespannt auf ihre Hand – und fühlte plötzlich ein heißes Brennen auf der Haut, gefolgt von einem stechenden Schmerz, als schiebe mir jemand

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