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Morphogenesis

Morphogenesis

Titel: Morphogenesis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Marrak
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eine Sekunde erhaschte ich einen Blick auf den Piloten, und hätte ich es nicht besser gewusst, dann hätte ich geschworen, der untersetzte Kerl mit Halbglatze und Dreitagebart auf dem Pilotensitz sei der griechische Taxifahrer! Ich spürte mein Herz gegen die Rippen klopfen, so sehr war ich über den unerwarteten Anblick erschrocken. Ich beruhigte mich mit dem Gedanken, dass es sich bei der Ähnlichkeit der beiden nur um einen ungeheuren Zufall handeln konnte. Dennoch lauerte ich darauf, dass die Stewardess das Cockpit wieder verließ.
    Meine Hoffnung erfüllte sich zwei Minuten vor dem planmäßigen Start. Da keine weiteren Fluggäste mehr zugestiegen waren, zählte ich drei Passagiere, mich mit eingerechnet. Für eine Luftreise von über zweitausend Kilometer konnte es sich hier nur um ein Verlustgeschäft für die Fluggesellschaft handeln. Aber vielleicht stiegen ja in Istanbul noch zehn oder zwanzig Passagiere zu.
    Ich reckte den Hals wie ein Kormoran, als die Tür zum Cockpit erneut aufglitt. Zuerst versperrte die – sehr hübsche – Stewardess die Sicht, doch dann …! Teufel auch, diese Ähnlichkeit war verblüffend! Alles an dem Piloten stimmte mit meinem Taxifahrer überein, nur trug er eine adrette britische Uniform. Ich erhob mich ein wenig und spähte über die Sitze hinweg. Unvermittelt drehte der Pilot seinen Kopf und sah zu mir herüber. Ein freundliches, wissendes Lächeln umspielte seine Lippen und verschwand mit ihm hinter der sich schließenden Kanzeltür.
    In meiner Kehle hatte sich ein dicker Kloß gebildet. Wie hypnotisiert starrte ich in Richtung Cockpit und bemerkte dabei nicht, dass die Stewardess neben mir stehen geblieben war.
    »Mister Krispin!?«, erreichte ihre Stimme nach etlichen Wiederholungen endlich mein Gehör.
    Ich fuhr erschrocken herum. »Ja?«
    »Ist Ihnen nicht gut?«
    »Doch, doch …«, stotterte ich. »Ich habe nur … ein wenig Flugangst, das ist alles.« Ich ließ mich in den Sitz zurücksinken und nestelte an meinem Hemdkragen herum.
    Die Stewardess hob skeptisch die Augenbrauen. »Möchten Sie vielleicht einen Tee? Ein Glas Limonade, oder Djoscha?«
    »Was!?«, bellte ich heiser. »Djoscha?«
    »Zur Beruhigung.«
    »Limonade, bitte!«
    Mein Blick schweifte wieder in Richtung Cockpit. »Sagen Sie, der Pilot …«, begann ich, als sie mir einschenkte. »Wie ist sein Name?«
    »Verzeihung?«
    »Wie heißt Ihr Pilot? Ist er schon länger bei dieser Fluggesellschaft?«
    Die Stewardess legte den Kopf schräg. »Sicher, Mister Krispin. Er war schon immer bei dieser Fluggesellschaft. Glauben Sie mir, er besitzt Erfahrung. Wir werden nicht abstürzen!« Die letzten Worte klangen, als sei sie bemüht, einen kleinen Jungen zu beruhigen.
    »Ja, sicher«, nickte ich. »Entschuldigung. Ich bin nur aufgeregt.«
    Die Frau lächelte. »Das wäre ich an Ihrer Stelle auch, Mister Krispin!« Damit wandte sie sich ab und ließ mich mit meiner Limonade sitzen.
    Ich sah ihr entgeistert nach, bis sie hinter dem Trennvorhang zur Bordküche verschwunden war. Litt ich seit heute Morgen unter Paranoia, oder stand auf meiner Stirn deutlich lesbar: ›Verarschen Sie mich bitte, ich bin Archäologe‹? Wie kam diese Person darauf, mir Djoscha anzubieten – das Bier der Toten?
     
    Punkt elf setzte sich die Maschine in Bewegung. Ich hätte meine Uhr danach stellen können. Fünf Minuten später waren wir in der Luft, und Al-Kahira, die Siegreiche, verlor sich unter ihrem ewigen Smog.
    Ich sah hinab auf die ägyptische Küste, auf die Schiffe in den Häfen von Damietta und Port Said – und bemerkte dabei die riesige, linsenförmige Wolke, die über dem östlichen Horizont hing … So weit das Auge reichte, war es die einzige Trübung am sonst klaren Himmel. Die Wolke sah aus, als könne sie ganz Syrien und den Libanon unter sich erdrücken, falls sie herabsänke. Ein beklemmendes Gefühl erfüllte mich, als ich sie betrachtete. Dieser Nebel hatte etwas Bedrohliches an sich, eine Ausstrahlung, die über Hunderte von Kilometern zu spüren war. Wetterfühligkeit war ebenfalls so eine Sache. Vielleicht rührte darin meine Unruhe. Es musste ein gewaltiges Tiefdruckgebiet sein, das sich über dem Nahen Osten gebildet hatte. Wenn ich Pech hatte, lag in Bukarest Schnee. Ja, bestimmt lag Schnee! Ich nippte nervös an meinem Getränk.
    Bald darauf befanden wir uns über dem Mittelmeer. Das Wasser war dunkelblau und leer – vollkommen leer, wie ich feststellte. Kein einziges Schiff schaukelte auf den

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