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Morphogenesis

Morphogenesis

Titel: Morphogenesis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Marrak
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hineingefahren sein. Anders war es nicht zu erklären, wie der Kerl bei diesem Tempo dorthin gelangt sein konnte. Mein Chauffeur stieß derbe Flüche aus und begann einen wilden Slalom, um die blutende, halb verbrannte Fleischmasse von der Wagenfront zu schleudern, aber unser Passagier schien Saugnäpfe zu besitzen; er war nicht abzuschütteln. Zähnefletschend klammerte er sich an die Motorhaube und brüllte: »Numquam consistit hoc vehiculum, o Spindarie? Tum veniam da vehi vehiculo isto!« [1]
    »Was ruft er da?«, fragte ich schockiert.
    »Er ist verrückt.«
    »Offensichtlich, aber was will er?«
    »Das wir ihn hier herausholen, natürlich.« Spindario kurbelte seine Seitenscheibe herunter und streckte den Kopf aus dem Fenster: »Mach, dass du da runterkommst, Claudius, oder ich puste dich von der Kühlerhaube!«
    »Quomodo id machinaberis, stulte?«, [2] schrie der Nackte zurück und spie in die Richtung, aus der er Spindarios Stimme vernahm. »Non patior plus poenas dare pro peccatis meis!« [3]
    »Das interessiert mich nicht!«, brüllte der Fahrer.
    »Verstehen Sie etwa, was er sagt?«
    »Größtenteils. Das ist Kaiser Claudius II. Offnen Sie das Handschuhfach.«
    »Wieso?«
    »Öffnen Sie es, verdammt noch mal!«
    »Anima meus in igne moratur!«, [4] schrie Claudius, während er sich langsam zur Windschutzscheibe voranarbeitete.
    »Da gehört sie auch hin!« Spindario warf mir einen knappen Blick zu. »Na, wird’s bald?«
    »Es lässt sich nicht öffnen.«
    »Schlagen Sie mit dem Knie dagegen.«
    Ich trat wuchtig gegen die Unterseite der Klappe, die prompt aufsprang. In einer Halterung auf ihrer Innenseite steckte ein chromglänzender 45er Colt. Spindario zog die Waffe heraus und richtete sie aus dem Fenster.
    »Wollen Sie ihn erschießen?«
    »Natürlich. Oder halten Sie das etwa für eine Wasserpistole?«
    »Libera me, et praemium reciperis principalis magnitudinis!«, [5] tönte es von der Motorhaube.
    »Du mich auch!« Spindario zielte kurz und drückte ab. Die Kugel schlug neben der Nasenwurzel in Claudius’ Kopf, wo sich normalerweise das linke Auge hätte befinden müssen. Der Getroffene gab einen bellenden Laut von sich, rutschte über den rechten Kotflügel ab und war verschwunden. Ich warf mich im Sitz herum und sah seinem über den Boden rollenden Körper nach. Trotz der Schusswunde erhob er sich wieder und torkelte dem Wagen hinterher.
    »Er lebt noch!«, rief ich entsetzt.
    »So, glauben Sie?« Spindario reichte mir den Colt. »Tun Sie ihn wieder an seinen Platz.«
    »Expecto te, Spindarie«, [6] rief Claudius dem Wagen nach, » Aliquando te extrahimus ex vehiculo tuo et crocodilibus proiciemus!« [7]
    »Fick dich ins Knie!«, schrie Spindario zurück und kurbelte das Fenster wieder hoch. Traumatisiert steckte ich den Colt wieder in die Halterung und klappte das Handschuhfach zu. Dann betrachtete ich meine zitternden Hände.
    Du liebe Güte, Krispin, wo bist du hier hineingeraten?
    »Wohin fahren wir?«
    »Erst einmal raus aus diesem Sektor«, antwortete Spindario. »Den Rest überlassen wir dem Wagen.«

 

     
     
    Ein paar Straßenzüge weiter hatten wir das brennende Stadtzentrum hinter uns gelassen. Dennoch schien das Feuer einst auch in den Außenbezirken gewütet zu haben. Klobige, rußgeschwärzte Gebäude reihten sich entlang der Pflasterstraßen wie riesige kariöse Backenzähne. Mit der Zeit wurden sie niedriger und ihre Bauweise einfacher, und schließlich rollten wir mit dem Wagen auf eines der großen Stadttore Roms zu. Kein Mensch war mehr zu sehen, dafür flankierten vier große, schwarz glänzende Statuen das Tor, deren Anblick mich zutiefst beunruhigte. Sie waren aus jenem dunklen, ägyptischen Basalt gefertigt, den die Menschen der Antike lapis niger genannt hatten.
    »Was sind das für Skulpturen?«, fragte ich.
    »Chroner. Aufseher, die die Zonengrenzen bewachen und in den einzelnen Sektoren für Ordnung sorgen.«
    »Sind die etwa echt?«
    Zwei der Statuen bewegten sich plötzlich und versperrten dem Wagen die Ausfahrt. Jede der Kreaturen war über zwei Meter groß und besaß eine weitgehend menschliche Anatomie. Sie trugen keine Kleidungsstücke außer dunkelroten und dunkelgrünen Hüftröcken, die von mächtigen Gürteln gehalten wurden und ihnen bis über die Knie reichten. Ihre massigen, fast schwarzen Oberkörper strotzten vor Muskeln. Auf breiten Stiernacken ruhten kantige, haarlose Köpfe, gekrönt von dicken, spindelförmigen Hörnerpaaren. Alle vier trugen

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