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Morphogenesis

Morphogenesis

Titel: Morphogenesis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Marrak
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Hieb- oder Stichwaffen in den krallenbewehrten Pranken, von denen ich nicht mit Bestimmtheit sagen konnte, ob es Schwerter oder Lanzen waren. Ihre nackten Füße besaßen lediglich zwei mächtige, ebenfalls krallenbewehrte Zehen, die an Hummerklauen erinnerten. Um dem Bild von Teufeln gerecht zu werden, entwuchsen ihren Hinterleibern beeindruckende Schwänze, die Ähnlichkeit mit den Fangtentakeln von Kalmaren besaßen. In unmittelbarer Nähe der Chroner bemerkte ich zwei medizinballgroße Augäpfel, deren Hinterteile in eine Art Panzer oder Metallrüstung eingefasst waren. Sie krochen auf acht metallischen Spinnenbeinen über das Kopfsteinpflaster und sahen uns starr entgegen.
    »Zyklopen«, erklärte Spindario. »Die Augen der Stadt. Ihnen entgeht kaum etwas. Sie sind hier sozusagen die Überwachungskameras.«
    »Sind das Lebewesen?«
    »Keine Ahnung, ich habe noch keines dieser Biester auseinander genommen. Sie haben einen Rüssel, mit dem sie Nahrung zu sich nehmen – Blut, Wasser, Fleischbrocken …«
    Ich versank ein Stück im Beifahrersitz, als Spindario den Wagen zwanzig Meter vor dem Stadttor zum Stehen brachte, und äugte bang durch die Frontscheibe.
    »Die Chroner dagegen sind mit Sicherheit lebendig.« Mein Fahrer deutete unauffällig nach vorne. »Die mit den grünen Röcken sind Herbivoren, reine Wachkreaturen«, sagte er und zog die Handbremse an. »Die rot gewandeten sind Omnivoren. Sie sind die ausgleichende Kraft in den Reihen der Chroner und sowohl für den Wachdienst als auch für den … hm, aktiven Dienst zuständig. Dann gibt es noch die Carnivoren, die nur für den aktiven Dienst innerhalb der Sektoren autorisiert sind. Man sollte ihre Nähe tunlichst meiden.«
    »Was tragen sie da mit sich herum?«
    »Sie nennen es Rebaschen. Die Kerle können damit hervorragend umgehen. Stechen, schlagen, schneiden, alles ist möglich.«
    »Sehen aus wie die abgerissenen Zeiger von Kirchturmuhren …«, erkannte ich.
    »Zeiger ist auch der gebräuchlichere Name für dieses Instrument. Es gibt drei verschiedene Ausführungen dieser Waffe: Die Carnivoren tragen Sekundenzeiger. Das genügt, da sie sowieso die ganze Zeit um sich schlagen.« Er lachte über sein Wortspiel. »Die Herbivoren streifen mit Minutenzeigern umher, und diese Omnivoren, die gerade auf uns zumarschieren, tragen Stunder. Ein Schlag mit einem solchen Instrument kann eine Häuserwand teilen.«
    Einer der Chroner postierte sich neben der Fahrertür, der zweite trat auf meine Seite und starrte grimmig zu mir herab. Spindario kurbelte seine Scheibe hinunter und ließ den Arm lässig aus dem Fenster hängen.
    »Ave, Spindario«, grüßte der Chroner auf dessen Seite und trommelte mit seinen Krallen rhythmisch aufs Wagendach. Seine Stimme war laut und tief, als hätte ein Rhinozeros sprechen gelernt. »Neue Ware? Lass mich raten: Ein Immobilienmakler?«
    »Nein«, antwortete Spindario. »Keine Ahnung, was er ist. Ich bin beauftragt, ihn zum Sata- Tempel zu fahren.«
    »Oho!« Der Aufseher verzog seinen Mund und entblößte ein beeindruckendes Haifischgebiss. »Du versuchst doch nicht etwa, einen verkleideten Römer aus der Stadt zu schmuggeln, oder?«
    »Natürlich nicht, Fliegenbiss. Du weißt, dass ich keine Römer befördere.«
    Ein barsches Klopfen gegen mein Seitenfenster ließ mich zusammenzucken. Erschrocken blickte ich in das Gesicht des zweiten Chroners. Er streckte seinen Zeigefinger aus und vollführte eine Drehbewegung. Anstelle eines Fingernagels wirbelte eine fünf Zentimeter lange Kralle an der Fingerspitze.
    »Nun öffnen Sie schon das Fenster!«, ermahnte mich Spindario.
    »Was?«, keuchte ich erstickt. »Wieso?«
    »Fragen Sie nicht, tun Sie’s einfach!«
    Meine Hand zitterte dermaßen, dass ich kaum die Kurbel bedienen konnte. Die Angst lähmte meine Muskeln, und es dauerte eine halbe Ewigkeit, bis ich die Scheibe heruntergedreht hatte. Völlig versteinert sah ich in das schwarze Teufelsgesicht, das nur eine Elle von meinem entfernt war.
    »Sag mal, du Hasenfuß«, grollte der Chroner, »du bist doch nicht wirklich kein Römer, oder?«
    Mein Hals war wie zugeschnürt. Ich war unfähig, auch nur den geringsten Laut von mir zu geben. Verdammt Krispin, das ist keine Maske! Und auch kein Kostüm. Aber was ist es dann – eine genetische Mutation? Ein Außerirdischer?
    »Huhu!«, machte der Chroner und wedelte mit seiner Pranke vor meinen Augen herum. »Ich rede mit dir!«
    »Ich – bin – kein Römer«, presste ich heiser

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