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Morphogenesis

Morphogenesis

Titel: Morphogenesis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Marrak
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hab nicht ewig Zeit.«
    Dieses Argument kannte ich bereits von Archon. Offenbar hatte hier niemand Zeit.
    »Ja doch, ich komme ja schon …« Schwitzend erreichte ich das strahlende Rechteck. Es war eine geöffnete Tür, die mitten auf dem Rasen aufragte. Verwundert blieb ich stehen. Der Türrahmen stand frei im Raum. Ein Hologramm oder ein Spiegeltrick?
    »Haben wir’s nun bald?«, beschwerte sich der nun deutlicher gewordene Schatten darüber, dass ich um die geisterhafte Pforte herumbummelte. »Meine Zeit ist sehr kostbar, Mister Krispin!«
    »Natürlich, entschuldigen Sie.« Ich schritt zügig durch die Tür. Der stechende Schmerz in den Augen währte nur Sekunden, dann hatten sich meine Pupillen an die Helligkeit gewöhnt.
    Ich fand mich in einem schwindelerregend hohen Treppenhaus wieder, das die Innenwände eines kolossalen Oktaeders überzog. Mein Standort befand sich einige Stockwerke oberhalb der horizontalen Mitte, und der Blick hinab ließ mich bestürzt zurücktaumeln. Die Gesamthöhe des Treppenhauses musste über einen Kilometer betragen, bis zur mir gegenübergelegenen Ebene waren es mindestens fünfhundert Meter. Die Etagengänge, die sich an den Wänden terrassenartig über- und untereinander türmten, waren nicht breiter als vier Meter. Ich hatte den Eindruck, in zwei ausgehöhlten, an den Fundamenten vereinigten Pyramiden zu stehen. Im Zentrum des Oktaeders schwebte wie eine Miniatursonne ein strahlendes Objekt in der Leere, von dem ich weder sagen konnte woher es rührte noch welche Kraft es dort hielt.
    Das Beeindruckendste waren jedoch die Türen. Hunderttausende mussten es sein, die von den Terrassen in ein unbekanntes Dahinter führten; Pforte an Pforte, wie in einem billigen Hotel.
    Mein Pick-up-Service entpuppte sich als heruntergekommener Enddreißiger, der nervös einen Schlüsselbund in den Fingern knetete. Er sah aus, als hätte er die letzten drei Wochen auf einer Mülldeponie unter einer meterhohen Schicht Unrat gelegen, bis ihn zufällig jemand ausgegraben und damit beauftragt hatte, mich abzuholen. Sein Gesicht war kantig und unrasiert, die Lippen schmal und blutleer. Seine Nase hatte durch einen unsanften Schlag einen markanten Knick erhalten. Eine dunkle Sonnenbrille verbarg seine Augen, den fast kahlen Kopf zierte eine schwarze, an den Rändern aufgerollte Wollmütze. Seine zerschlissene Kleidung wurde leidlich von einem langen Mantel verborgen, der mit Flecken und Spritzern einer dunklen, getrockneten Substanz bedeckt war. Auf seinen ausgetretenen Stiefeln lag eine feine Staubschicht. Fürwahr eine ebenso sympathische wie Vertrauen erweckende Erscheinung!
    Ich lächelte freundlich, doch es schien mir nicht besonders zu glücken, denn in dem Gesicht meines Gegenübers regte sich herzlich wenig.
    »Wo sind wir hier?«, fragte ich. »Was ist das für ein Ding?«
    Der Fremde sah mich von oben bis unten an, als prüfte er, wie ihm mein Mantel stünde, dann spie er neben mich auf den Boden und knurrte: »Kommen Sie, ich hab’s eilig!« Damit drehte er sich um und stiefelte davon.
    »Warten Sie!«, rief ich ihm hinterher. »Ich bin nicht allein. Mein Pilot ist noch dort draußen …«
    Der Mann blieb stehen und sah über seine Schulter. »Man hat mir aufgetragen, Sie abzuholen, Mister Krispin, und genau das tue ich jetzt. Sie, und niemanden sonst!« Er lief weiter, und notgedrungen folgte ich ihm.
    »Wohin bringen Sie mich?«
    »Das werden Sie schon noch sehen. Na los, trödeln Sie nicht so herum!«
    Ich schloss zu ihm auf. »Wer schickt Sie, Mister …« Der Fremde schwieg. »In Ordnung, Mister Namenlos.«
    »Nennen Sie mich Spindario«, sagte er, als wir die abwärts führenden Treppen erreichten. »Dieser Ort hier nennt sich Megaron. Und jetzt reden Sie bitte etwas weniger und laufen Sie etwas schneller!« Er blieb kurz stehen und sah in die Tiefe, anscheinend um sich zu orientieren, dann zückte er ein vergilbtes Notizheft und blätterte fieberhaft darin herum. »Verdammt!« Er sah auf. »Haben Sie vielleicht etwas für mich?«
    Ich überlegte kurz und fischte das Kuvert aus der Manteltasche. »Das hier hat mir …«
    »Himmelherrgott noch mal!«, fluchte Spindario und riss mir den Umschlag aus der Hand. »Das ist existenzwichtig, Sie Penner!« Er zog etwas aus dem Kuvert, das wie eine Visitenkarte aussah. »63.902 …«, murmelte er, warf einen Blick in die Runde. »63.902 … Verdammt, wir müssen nach oben!« Er machte auf dem Absatz kehrt und rannte fluchend die Treppe wieder

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