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Morphogenesis

Morphogenesis

Titel: Morphogenesis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Marrak
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hervor.
    Eine messerscharfe Spitze schwebte plötzlich vor meiner Nase. »Sagst du auch die Wahrheit, du Furzgesicht?«
    »Lass ihn in Ruhe, Knotenfuß«, mischte Spindario sich ein. »Meine Auftraggeberin wird es nicht besonders zu schätzen wissen, wenn sie von mir erfährt, dass du meinen Fahrgast belästigt hast.«
    Der Chroner warf einen geringschätzigen Blick auf Spindario, schnaubte durch die Nüstern und ließ seine Rebasche wieder sinken. Dann grinste er wie ein Halloweenkürbis und tätschelte mit seiner Riesenpranke meine Wange. »’tschuldigung, Hasenfuß, war natürlich nur Spaß!« Er sah Spindario an. »Du weißt ja, Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser …«
    »Natürlich. Du kannst jetzt aufhören, ihn zu kraulen.«
    »Höhöhö …«, machte Knotenfuß und zog seine Pranke aus dem Fahrzeuginneren. Seltsam, das Hochkurbeln der Scheibe ging wesentlich flotter.
    »Auftraggeberin?!«, raunte ich.
    »Aye«, bestätigte mein Chauffeur und schnalzte mit der Zunge.
    »Gute Reise, Spindario«, röhrte Fliegenbiss, als der Wagen wieder an Fahrt gewann. »Und dass du mir im nächsten Sektor keine Mesopotamier mitnimmst!«
    »Und im übernächsten keine Schleimscheißer!«, rief Knotenfuß.
    »Und keine Simoniten im überübernächsten, klar?«, brüllte wieder Fliegenbiss, als Spindario den Wagen längst durch das Stadttor gelenkt hatte.
     
    Eine riesige Stufenpyramide überragte die Häuser jenseits der Mauern Roms. Sie war außerordentlich steil gebaut und ihre Spitze offensichtlich noch nicht fertig gestellt. Ihre Höhe musste annähernd dreihundert Meter betragen, und ich wunderte mich, dass ihre Flanken unter ihrem Eigengewicht nicht längst zusammengebrochen waren. Pharao Snofru hatte seine Pyramide nicht einmal annähernd so steil erbauen lassen und es gerade mal auf siebzig Meter gebracht, ehe ihre Außenmauern abgerutscht waren. Fasziniert betrachtete ich das Bauwerk, soweit es in meinem Blickfeld lag.
    Der Übergang in diesen neuen Sektor war bemerkenswert gewesen. Unmittelbar hinter dem römischen Stadttor hatte sich die Architektur geändert, und wir rasten nun an quaderförmigen Häusern und Tempelanlagen vorbei. Spindario erweckte den Eindruck eines suizidgefährdeten PS-Rambos, der seinen Frust auf der Straße abließ. In halsbrecherischem Tempo durchquerten wir die Stadt. Vermummte Menschen wandelten durch die Straßen und schleppten Felsblöcke, die fast halb so groß waren wie sie selbst. Chroner in schwarz-gelb gestreiften Hüftröcken peitschten sie mit ihrer erdrückenden Last unablässig voran und kerbten tiefe, blutige Striemen in ihre Haut. Alles, was Steine trug, bewegte sich auf die riesige Stufenpyramide zu. Jene, die leere Hände hatten, wurden von den Aufsehern in die entgegengesetzte Richtung getrieben. Flüche und Verwünschungen in unzähligen Sprachen folgten uns, wenn wir an den Menschen vorbeifuhren, und die Chroner ließen ihre Peitschen auf das Wagendach knallen.
    »Willkommen in Babylon«, rief Spindario.
    Ich sah ihn ungläubig an, dann wieder zu der weit entfernten Pyramide. Sollte sie etwa der sagenumwobene Turm sein, an dem die Menschheit sich schied? Die Zikkurat von Eternenaki? Der Stufentempel des Gottes Marduk? Welche geschichtsbesessene Obrigkeit rekonstruierte hier die Schauplätze des Altertums, um sie mit derartigen Kreaturen und so viel Abartigkeit zu bevölkern?
    Ein Schwarm eigenartiger Flugobjekte umkreiste unablässig die Spitze des Turms. Sie ließen sich auf dem Bauwerk nieder, ergriffen mit einer Anzahl von Greifarmen einzelne angebaute Quader, hoben sie empor und schleppten sie fort. In einer breiten Kolonne flogen sie über uns hinweg und warfen die Mauerstücke auf einen gewaltigen, kilometerweit entfernten Schuttberg. Dann kehrten sie unverzüglich um und wiederholten den Vorgang. Die Flugobjekte besaßen stummelartige, fast transparente Tragflächen. Für Segelflugzeuge hatten sie viel zu plumpe Rümpfe, zumal die Flügel in ständiger Bewegung waren …
    Ich kniff die Augen zusammen. Die Tragflächen waren Schwingen, und die Greifarme, die unter dem Rumpf hingen, lange, dornenbewehrte Beine. Die fetten, schwarzen Objekte waren weder Flugzeuge noch Helikopter – es waren riesige Fliegen, so groß wie Kühe!
    Alles, was die Schuftenden auf den Gipfel des Turmes transportierten, wurde von den gigantischen Insekten sofort wieder entfernt und auf den Schuttberg zurückbefördert. Ihr ganzes Unterfangen war ein ewiger, sinn- und erfolgloser

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