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Morphogenesis

Morphogenesis

Titel: Morphogenesis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Marrak
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gerne wieder zum vertraulichen Du übergehen.« Sahia zuckte bei meinen Worten zusammen und starrte krampfhaft auf ihre Hände. »Und lass endlich dieses unterwürfige Gebaren«, forderte ich, »sondern steh auf! Setzt dich meinetwegen auf eines der Kissen oder auch aufs Bett, aber bleib hier nicht auf dem Boden hocken.« Das Mädchen schluckte schwer, nickte dann kurz, ohne den Blick zu heben. Es dauerte eine Weile, bis sie sich tatsächlich erhob. Zögernd ging sie ein paar Schritte und setzte sich auf die Kante einer Kleidertruhe.
    »Also«, sagte ich und ließ mich aufs Bett sinken, »wie war das mit dir und mir und ihr?«
    »Du trägst ihr Ka in dir«, wiederholte sie stockend.
    »Na, das klingt zumindest schon mal wesentlich vertrauter. Ka, Ba, Ach … Der Totenkult wird seit Jahrtausenden nicht mehr praktiziert. Mit diesem Lichtkörper-Schnickschnack beglücken sich heute nur noch ein paar geistig Entrückte.«
    Sahia setzte an, etwas zu erwidern, doch ihr versagte die Stimme. Mit geschlossenen Augen saß sie auf der Truhe und wiegte ihren Oberkörper fast unmerklich vor und zurück, bis sie neue Kraft zum Sprechen geschöpft hatte. »Dein eigenes Ka«, erklärte sie, »wurde von dir getrennt, um dem ihren Platz zu gewähren.«
    »Aha. Und – wo befindet sich mein Ka jetzt?«
    »An einem fernen, für dich unerreichbaren Ort, gemeinsam mit deinen Erinnerungen …« Sahia warf mir einen kurzen Blick zu, wie um sich zu vergewissern, dass ich das, was sie sagte, nicht als völlig unglaubhaft abtat. »Ein Ort, um den Schmerz aufzunehmen«, fügte sie bedeutungsvoll hinzu.
    »Und wer ist sie?«
    »Darüber darf ich nicht sprechen. Sie würde …«
    »… dich bestrafen, natürlich.« Ich nickte müde.
    »Sie – besitzt mich, wenn sie mich braucht. Wenn sie in deine Welt reist. Ich bin der Körper ihres Ach.«
    Ich blies die Backen auf, verkniff mir jedoch einen Kommentar. »Hat sie vielleicht auch einen Namen?«, fragte ich stattdessen.
    Ohne zu antworten, starrte Sahia wieder auf ihre Hände.
    »Na gut, so kommen wir anscheinend nicht weiter. Erzähl mir etwas, über das du sprechen darfst«, forderte ich sie auf. »Etwas, das mir hilft, dir zu glauben.«
    Das Mädchen dachte ein paar Sekunden lang nach. Vielleicht lauschte sie auch nach Geräuschen aus dem Turm, die ihr eine Warnung waren, mir jedoch entgingen. Dann sagte sie: »Du bist ein Priester des wabat meharesch.«
    »Ein was?«
    »Ein … Gelehrter der vorübergegangenen Zeit.«
    »Altertumsforscher«, riet ich nach kurzem Überlegen. »Archäologe. Meinst du das?«
    Sahia machte eine Geste, die einem Schulterzucken entsprach. »Ich habe einiges aus deiner Welt gelernt, aber ich habe keinen Zugang zu ihrem Ach. Sie verschließt sich und ihr Wissen vor mir.« Sie kaute auf ihrer Unterlippe, als hadere sie mit sich, weiterzusprechen, dann fragte sie: »Was weißt du über die Kemahor?«
    Nun war ich es, der für einen Augenblick sprachlos war.
    »Du kennst sie also«, folgerte Sahia daraus, und zum ersten Mal, seit sie hier oben war, bekamen ihre Augen wieder ein wenig Glanz.
    »Ich habe nur von ihnen gehört«, gestand ich. Dann rekonstruierte ich laut, was ich von der Geschichte in Erinnerung behalten hatte, die mir der ägyptische Vorarbeiter nach Rahmeds Tod im Zeltlager erzählt hatte.
    »Manches davon stimmt«, nickte Sahia, als ich fertig war, »manches nicht. Die Kemahor kamen tatsächlich aus dem Süden, aus dem Reich Kusch, aber bald auch aus dem Westen, aus dem Gebiet der Djehenu, das sie zur Wüste gemacht hatten. Wir glaubten die Geschichten, die uns aus den fernen Gauen übermittelt wurden, zuerst nicht, hielten sie für Gerüchte der Nubier, um Angst unter das Volk zu säen. Die ersten, die uns glaubhaft von ihnen berichteten, waren Soldaten aus den Grenzfestungen von Semna und Kumma. Sie erschienen aufgeregt am Hof von Abdju und sagten …«
    »Augenblick«, unterbrach ich ihren Redeschwall. »Sagtest du gerade: wir?«
    Sahia schaute erschrocken drein und dann, wie im Bewusstsein, etwas Verbotenes ausgesprochen zu haben, ruckartig zu Boden. Ihre Fingernägel kratzten nervös über ihre Kleidung. Schweigend saß sie eine Weile da und rang mit sich, ehe sie sich zu einem Nicken überwand. »Ja …«, sagte sie leise. »Wir.« Dann sah sie auf und sagte: »Ich bin Sahia, die zweite Gemahlin des Athothis Kenkenes.«
    »Djer?«, entfuhr es mir, und meine Stimme überschlug sich dabei fast. Ich setzte mich neben sie, behutsam, um sie nicht erneut

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