Morphogenesis
Hände in Taranteln verwandelt. »Bitte kommt nicht näher! Berührt mich nicht! Sie würde Euren Geruch an mir wahrnehmen und mich bestrafen. Und Euch ebenfalls.«
Ich ließ die Arme sinken. Verständnislos sah ich ihr dabei zu, wie sie völlig planlos durchs Zimmer irrte. »Sie?«, hakte ich nach und musste unvermittelt an die riesige Schlange unter dem Turm denken. »Von wem redest du?« Die einzige Reaktion war ein heftiges Kopfschütteln. »Was um alles in der Welt ist denn in dich gefahren?«
»Nicht in mich«, antwortete Sahia. »Aus mir heraus.«
Ich starrte sie an. »Was?«
Das Mädchen sah sich scheu um und ging dann fast wie gewohnt auf das Bett zu. Auf halbem Weg machte sie kehrt, lief zurück zur Tür und lauschte hinaus in die Treppenflucht.
»Vergebt mir mein Eindringen.« Sie schloss die Tür und kniete schließlich direkt neben ihr nieder. Wie eine Sklavin hockte sie auf dem Boden, die Hände in ihrem Schoß gefaltet und den Blick demütig gesenkt. »Wir haben nicht viel Zeit«, erklärte sie, ohne aufzusehen. »Bitte erlaubt mir zu sprechen.«
Ich konnte nicht anders, als Sahia anzustarren. Litt sie womöglich an akuter Schizophrenie? War sie eine gespaltene Persönlichkeit, die sich nun vor ihrem mächtigeren Alter Ego fürchtete? Oder führten die Betreiber dieser Anlage ebenfalls Psycho-Experimente mit ihr durch? »Na gut«, brachte ich schließlich über die Lippen. »Sprich.«
»Ihr müsst diesen Ort verlassen!« Sahia sah kurz auf. »Ihr müsst fliehen, ehe sie zurückkommt.«
»Ähm … ja, sicher.« Ich schielte zur Tür. »Wo – ist sie denn hin?«
»Könnt Ihr Euch das nicht denken?«
»Ehrlich gesagt: nein.«
»Sie stellt Kreuzbeißer und seinem Gefolge nach.«
»Oh … ja, natürlich …« Ich nickte wie ein Roboter. Einerseits war ich seit ein paar Minuten davon überzeugt, Sahia hätte ihre fünf Sinne nicht mehr beisammen, andererseits jagte mir die Erwähnung der Chroner einen kalten Schauer über den Rücken. Mein Instinkt sagte mir, dass sich Ärger zusammenbraute.
»Ich erinnere mich an alles, was hier zwischen ihr und Euch vorgefallen ist.« Sahia schaute sich verlegen um. »Und auch an das, was während des Aphonnon-Festes in dieser fremdartigen Stadt geschehen ist …«
»In welcher Stadt?«
»Ihr könnt Euch nicht mehr an diese Nacht erinnern, nicht wahr?« Sie tippte sich mit den Fingerspitzen gegen ihre Brust. »Ihr Ka verhindert es.«
»Ihr Ka?« Ich musste lachen. »Was soll das denn heißen? Stammst du aus einer Familie, in der man die Toten noch mumifiziert?« Das Mädchen ertrug den Spott mit starrer Miene. »Wir sind uns also schon einmal begegnet«, nahm ich den Faden wieder auf. »In einer fremdartigen Stadt …«
»Nein, Ihr seid ihr begegnet, in meinem Körper.«
Ich kniff die Augen zusammen und massierte meine Nasenwurzel.
»Wartet nicht, bis sie zurückkehrt«, drängte Sahia. »Verlasst den Tempel. Sie wird Euch sonst so lange hier behalten, bis die Frucht ihres Ach in meinem Körper pulsiert.«
»Die – was?«
»Ein weiblicher Nachkomme. Sie braucht ein lebendiges menschliches Ich, einen neuen Körper, den Ihr zu zeugen habt. Dazu hat sie Euch in die Duat gelockt. Das war der Pakt.«
»Duat?«, bellte ich. »Pakt? Was für ein Pakt?«
»Jenen, den Ihr während des Aphonnon-Festes mit Eurem Samen unterzeichnet habt …«
»Du liebe Güte …«, stöhnte ich. »Du meinst diesen ganzen Quatsch doch nicht etwa ernst? Hast du irgendwelche Drogen genommen oder verabreicht bekommen?«
»Bitte«, flehte Sahia, und in ihrer Stimme lag eine Spur von Hysterie, »Ihr müsst mir glauben! Sie will in sich selbst wiedergeboren werden, in einem menschlichen Körper, um diesem Ort nach all den Jahrtausenden der Verbannung endlich entfliehen zu können. Ihr dürft nicht zulassen, dass ihresgleichen wieder auf Erden wandelt …«
»Na schön, das war jetzt genug Unsinn.« Energisch stand ich auf und lief zu ihr herüber, was sie zu einer erbarmungswürdigen Abwehrhaltung veranlasste, und ließ mich direkt vor ihr auf den Boden sinken. Sahia, die ihren Kopf wie in der Erwartung von Schlägen zwischen ihre Schultern gezogen hatte, nahm langsam die Arme wieder herunter und schob sich ein paar Meter von mir weg. »Berührt mich nicht«, flehte sie dabei. »Bitte berührt mich nicht …«
»Okay, okay, ich werde dich nicht anfassen«, versprach ich. »Aber zu deiner Information: Wir haben es hier ein halbes Dutzend Mal miteinander getrieben. Du darfst also
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