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Morphogenesis

Morphogenesis

Titel: Morphogenesis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Marrak
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zu verschrecken. »Du sprichst von Pharao Hor Djer? Dem letzten Horuskind?« Wieder dieses Äquivalent eines Schulterzuckens. »Aber das …« Ich sprang wieder auf und lief aufgeregt durchs Zimmer. »Das war zu Beginn der ersten Dynastie! Hor Djer regierte vor über fünftausend Jahren!«
    Das Mädchen sah mich an und nickte dabei. In ihrem Blick lag nicht die Spur eines Hinweises, dass sie sich gerade einen Scherz erlaubte, lediglich ein Hauch tiefer Betrübnis, fast so, als hätte ich ihr soeben etwas bestätigt, das sie bislang nur annähernd vermutet hatte.
    »Ich bin schon eine sehr lange Zeit an diesem Ort«, sagte sie leise, aber hörbar um Fassung ringend. »Schon seit dem Beginn des Krieges.«
    »Welches …« Mir schwirrte vor Sahias Offenbarungen inzwischen der Kopf. »Welches Krieges?«
    »Jenes, den die Götter begonnen hatten. Dem Aufstand der Völker gegen die Kemahor.«
     
    Aufmerksam, wenn auch skeptisch, lauschte ich ihren Geschichten. Sahia erzählte von ihrem vermeintlichen Leben am Hof von Abdju, dem heutigen Abydos, als wären seither nur wenige Jahre verstrichen. Sie tat es in blühender Sprache, mit so bewundernswertem Ernst und derart tiefer Überzeugung, dass ich geneigt war zu glauben, sie hätte diese Geschehnisse tatsächlich erlebt – vor fünftausend Jahren.
    In drei Heersäulen, so erinnerte sie sich, seien die Kemahor nordwärts gezogen, nach Djeha, in das Land des Sonnenuntergangs, wo sie fanden, was sie brauchten: unermessliche, von Wild aller Art wimmelnde, fruchtbare Steppen, die ihnen Nahrung gewährten. Immer weiter seien sie dabei auch nach Ägypten vorgedrungen, unaufhaltsam und furchtgebietend.
    »Die Dehuti-Priester versuchten die Invasion zu ihren Gunsten auszulegen«, erzählte Sahia. »Sie behaupteten, die Kemahor würden dem sagenhaften Lande Punt entstammen und wären von Ptah selbst geschickt worden, um die von ihm gegründeten Reiche in seinem Sinne zu verwalten.«
    »Das Tep Zepi«, begriff ich. »Die Regierungszeit der tellurischen Achtheit. Das Goldene Zeitalter.«
    »Es war ein grausames Zeitalter«, berichtigte mich Sahia. »Die Götter herrschten zweitausend Soth, ehe sie in den Himmel zurückkehrten.«
    »Also mehr als achtzehnhundert Sonnenjahre«, überschlug ich die Zeitspanne. Wie Okabur rechnete offensichtlich auch Sahia in Netjer- Mondjahren, der Gott-Zeit. Ein Soth, das heilige Jahr, beinhaltete zwölf Abed zu je achtundzwanzig Tagen. War Sahia womöglich eine Priesterin?
    »Unser Volk brauchte vier Äonen, um sich aus ihrem Schatten zu erheben«, fuhr sie fort. »Und kaum hatte es dies vollbracht, fielen die Kemahor ins Land ein wie die Zähne des Windes.«
    »Wanderheuschrecken …«
    »Die Nubier berichteten uns von ihren Gräueltaten; dass sie die Herrschaft der Länder an sich rissen, indem sie sich mit den Frauen verbanden und Bastarde auf die Throne setzten. Und dass man sie nicht töten konnte. Man konnte sie zwar verwunden, doch sie starben nicht. Die Nubier erzählten, dass die Kemahor ursprünglich von viel weiter her kamen, von den Mondbergen, die die südliche Säule des Kosmos umgeben. Die Dehuti-Priester ließen daraufhin verbreiten, die Kemahor seien emporgestiegen aus den unterirdischen Seen des Nun und somit heilige, unsterbliche Geschöpfe.
    Mein Gemahl blieb misstrauisch, denn so übermächtig die Invasoren in vielerlei Hinsicht waren, zogen sie doch die heißen, trockenen Gegenden vor, um sich anzusiedeln. Aus diesem Grund, so vermuteten viele, zeugten sie die Bastarde und ließen diese ihre Interessen gegenüber uns wahren. Die Kemahor selbst mieden die Nähe des Wassers. Sie erbauten ihre Städte tief in der Wüste, dort, wo nie ein Tropfen Regen den Sand traf. Dabei errichteten sie ihre Tempel nicht auf der Oberfläche, gen Himmel strebend, sondern in die Erde hinein, sodass man von ihnen in der Wüste kaum etwas sah. Sie zehrten das Land von innen heraus auf.«
    »Wie am Djebel Uweinat …«
    »Bitte?«
    »Nicht so wichtig«, meinte ich nachdenklich. »Ich habe nur laut gedacht. Erzähl weiter.«
    »Die offensichtliche Scheu der Kemahor vor dem Wasser war für meinen Gemahl nicht vereinbar mit ihrer Herkunft aus den Seen des Nun«, sprach Sahia, »doch der Einfluss der Priester, die diesen Glauben schürten, stieg unaufhaltsam. Es war nur noch eine Frage der Zeit, bis der Tag kommen würde, an dem man Athothis vom Thron stoßen und einen Kemahor-Bastard darauf setzen würde. Also sandte mein Gemahl zwölf Schiffe aus, die

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