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Morphogenesis

Morphogenesis

Titel: Morphogenesis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Marrak
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Händen trug Meret einen kristallenen Kelch mit einer milchigen Flüssigkeit, derweil sie mich mit diesem eindringlichen, hypnotisch fordernden Blick ansah, der jeglichen Willen in sich aufsog.
    In die Falle gelaufen, Krispin, höhnte Gizas Stimme in meinem Kopf. Wie heißt es doch gleich: Ein einzelner Feind in der Festung ist fürchterlicher als das stärkste Heer davor.
    »Bleib mir vom Leib, du Ausgeburt!« Ich richtete die Schwertspitze auf ihre herangleitende Gestalt und wich Schritt um Schritt zurück. »Blind muss ich gewesen sein, um nicht schon in Kairo zu erkennen, was du wirklich bist; verblendet von deinem Zauber, von deinen Zärtlichkeiten, von deinem Duft …«
    Meret hielt den Kelch vor sich und lächelte, während ihre Schwanzspitze nervös zitterte. »Du beginnst dich wieder zu erinnern«, flüsterte sie. »Aber diese Erinnerung bringt dich in große Gefahr. Koste meinen Nektar, Kematef, und du wirst mich wieder so sehen wie früher.« Und als ich nicht reagierte: »Trink, sonst kann ich dich vielleicht nie wieder in deine Welt zurückschicken.«
    Sie streckte eine Hand nach mir aus und spielte verlockend mit ihren Fingern, deren Spitzen fast die Schwertklinge berührten. Das Gewicht der Waffe zehrte an meiner Kraft, ließ meine Muskeln erlahmen. Stärker und stärker begann mein Arm zu zittern, während mein Atem stoßweise ging und ich mich von ihrem Fingerspiel ablenken ließ. Meine Wahrnehmung bestand auf einmal nur noch aus ihren schlangengleich wandernden Fingerspitzen.
    Auf und ab …
    Auf und ab …
    »Geliebter Kematef!«, raunte ihre verführerische Stimme. »Nimm meine Hand, ich bin Wärme …«
    Ich zwang meinen Blick von Merets tanzenden Fingern und funkelte die Kreatur an. Ihr Lächeln erstarb, als ich die Klinge in einem letzten Aufbegehren in ihre Richtung stieß. Sie riss die Hände an sich und wich blitzartig zurück. Der Kelch fiel zu Boden und zerbarst. Dort, wo die milchig-weiße Flüssigkeit das Gestein berührte, begann sie Blasen zu schlagen und wurde zu einem zähen, braunen Sud, der schließlich erstarrte.
    Trotz Merets Flinkheit hatte die Schwertklinge einen tiefen Schnitt in ihrer linken Hand zurückgelassen. Das Zwitterwesen betrachtete traurig die Wunde, aus der eine orangefarbene Flüssigkeit blutete. Dann blickte es auf- und ich sah, dass es weinte.
    Das konnte, das durfte nicht wahr sein! Hegte diese äonenalte Kreatur wahrhaftig Gefühle für mich? War ich für sie tatsächlich mehr als nur ein Lustsklave aus einer Menschenwelt, den sie mittels suggestiver Geisteskraft und berauschender Sekrete zu einem blinden, gefügigen Gespielen machte; ein willenloser Erzeuger ihres zukünftigen Menschenkörpers, mit dem sie nach Jahrtausenden wieder auf Erden zu wandeln gedachte? Oder glaubte sie wahrhaftig, ich sei Kematef?
    Der Kematef?
    Unten in ihrer Folterkammer hatte sie diesen Namen Kreuzbeißer gegenüber nicht wie den des Amun-Gottes, sondern eher wie ein Titulierung benutzt. Wie eine Bezeichnung für einen Fetisch, fast so, als sei ich ein menschlicher Skarabäus, den es zu beschützen galt.
    »Du warst es, der die Kemahor einst in der Wüste gehuldigt hatten«, erkannte ich. »Die Sata- Schlange, die von ihnen angebetet wurde …«
    »Das Leben besteht aus zwei Teilen, Kematef«, hauchte Meret und näherte sich noch ein Stück. »Die Vergangenheit – ein Traum. Die Zukunft – ein Wunsch. Sieh in mir nicht das Ungeheuer, das dir scheinbar vor Augen steht.« Die Blasen, zu denen ihr Nektar kristallisiert war, zerplatzten unter ihrem Schlangenleib wie gläserne Christbaumkugeln. »Ich kann alles für dich sein …«
    »Sei still!« Ich lief rückwärts bis zur Balkontür und öffnete sie, ohne das Schwert zu senken.
    »Was hast du vor?«
    »Ich verlasse deinen Elfenbeinturm.«
    »Du hast mir Leben versprochen.«
    »Ich habe es Sahia versprochen, nicht dir! Du hast mich in ihrem Körper hintergangen, mich gegen meinen Willen hierher verschleppen lassen, mir etwas gezeigt, das ein Mensch niemals hätte erblicken dürfen. Es war eine interessante Erfahrung, dich und diesen Ort kennen gelernt zu haben, aber du wirst sicher verstehen, dass wir nicht füreinander geschaffen sind. Diese ganze Freakshow ist mir zuwider.«
    »Und wohin willst du gehen?«
    »Weg von diesem Ort. Diese Stadt beherbergt genug Wahnsinn und Grausamkeit, um eine ganze Bibliothek mit psychopathologischen Abhandlungen zu füllen. Du und all die anderen Kreaturen, geht mit eurem fliegenden

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