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Morphogenesis

Morphogenesis

Titel: Morphogenesis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Marrak
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verlaufen, Bursche?«
    »Tja, jetzt, wo Sie’s sagen …« Ich lächelte entwaffnend.
    Das Chronerschwert fuhr nach unten und durchbohrte meinen Oberkiefer. Ich konnte die Spitze mit der Zunge für einen kurzen Augenblick in meiner Mundhöhle fühlen, ehe der Chroner seine Waffe wieder zurückriss. Mit aller Macht vermied ich es, aufzuschreien und meine Hände gegen die Wunde zu pressen, während ich Knochensplitter und ausgeschlagene Zähne ausspuckte. Der Wächter lachte gehässig, leckte das Blut von der Zeigerspitze und funkelte mich an. »Und jetzt kletterst du brav wieder nach unten in deinen Pfuhl, du schmierige Drecksau, sonst wirst du derjenige sein, der die nächsten einhundert Jahre diesen Aufstieg beleuchtet!« Er tippte mit dem Zeiger demonstrativ gegen das brennende Bündel und sah drohend herab. »Na, wird’s bald?«
    Aus dem Flammenknäuel löste sich blitzartig eine schwarze Hand. Sie umklammerte die Rebasche, ehe es dem verdutzten Chroner gelang, seine Waffe zurückzureißen. Eine zweite Hand schoss hervor. Beide hielten den Zeiger fest umschlossen, worauf der Aufseher sich laut fluchend bemühte, der ›Fackel‹ sein Schwert wieder zu entreißen. Er schob und stieß, drehte und wand den Stahl ohne sichtlichen Erfolg zwischen seinen Pranken. Ich ergriff die Chance, die mir das brennende Wesen bot, kletterte zügig empor, warf mich über die Mauer – und lag vor zwei Zyklopen. Die spinnenähnlichen Kreaturen sprangen erschrocken auf und brachten umgehend einige Meter Sicherheitsabstand zwischen sich und mich.
    Sie sehen dich, Krispin!, durchfuhr es mich. Und irgendwo sitzt irgendjemand hinter einem Monitor, der durch ihre Augen sieht!
    Der Chroner brüllte und zeterte, blickte wutentbrannt über seine Schulter und schien zu überlegen, ob er die Rebasche loslassen sollte, um mich eigenhändig in den Pechsee zurückzuschleudern. Falls es jedoch stimmte, was mir Spindario während der Taxifahrt über diese Teufel erzählt hatte, dann musste man einem Chroner beide Arme abhacken, ehe er seine Waffe losließ. Kein Aufseher würde seinen Zeiger opfern, solange er ihn noch in den Händen hielt – wie dieser es tat.
    Als ich mich erhob und auf den Chroner zulief, wurde sein Gesichtsausdruck immer verbissener. Er dachte gar nicht daran, von seiner Waffe abzulassen und mich zu ergreifen, sondern zog und rüttelte immer heftiger an ihr, sodass der brennende Leib an seiner Hängevorrichtung wild hin- und her geworfen wurde. Der Aufseher knurrte und geiferte, fletschte die Zähne und versuchte, mich durch kraftvolle Tritte auf Distanz zu halten. Er keilte dabei aus wie ein tollwütiger Esel.
    Die beiden Zyklopen hatten inzwischen das Weite gesucht, und ich konnte damit rechnen, dass sie sehr bald mit weiteren Aufsehern zurückkehren würden. Ich hätte mein Heil in der Flucht suchen können, doch spekulierte ich auf die Rebasche des Chroners. Derart bewaffnet besäße ich einen entscheidenden Trumpf bei meinem Vorhaben, lebend einen der Ausgänge zu erreichen und diesen Ort zu verlassen. Ich bewunderte die unglaubliche Kraft des brennenden Bündels, das dem Chroner trotz seiner fürchterlichen Lage Paroli bot.
    Außerhalb der Reichweite seiner Tritte wartete ich auf eine Unachtsamkeit des Aufsehers, dann nahm ich Anlauf und sprang ihm mit voller Wucht in den Rücken. Der Zusammenprall mit seinem massigen Leib war, als wäre ich gegen einen Baum gerannt. Halb benommen stürzte ich zu Boden und hielt mir den schmerzenden Leib. Der Chroner hingegen schrie auf, wurde nach vorn katapultiert, stolperte in einem grotesken Salto über die Mauerbrüstung und verschwand brüllend in der Tiefe – doch nicht einmal jetzt ließ er von seiner Waffe ab! Da der Brennende keine Augen mehr besaß und es mit seinem Gehör auch nicht zum Besten stehen konnte, hielt er den Zeiger weiterhin hartnäckig umklammert. So kam es, wie es kommen musste: Die Aufhängung, die den armen Kerl trug, brach mit lautem Krachen unter dem Gewicht des Chroners, und Wächter, Rebasche und lebende Fackel stürzten gemeinsam in die Tiefe. Das Licht der Flammen verlor sich nach Sekunden im Dunst, das Brüllen des Aufsehers verhallte einen Augenblick später, dann waren beide im Abgrund verschwunden.
    Pech gehabt, Krispin!
    Ich tastete mit der Hand vorsichtig nach der Verletzung, die mir der Chroner zugefügt hatte. Die Wunde hatte aufgehört zu bluten und war bereits zu einem Großteil wieder zugewachsen. Ich fühlte lediglich eine Mulde in meinem

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