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Morphogenesis

Morphogenesis

Titel: Morphogenesis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Marrak
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Zunge kroch wie eine dicke Molluske in meinen Mund. Ich hatte das Gefühl, mich übergeben zu müssen, doch der Schreck, dass sich ihr Schoß gegen meinen Unterleib drängte, ließ mich erstarren. Hände berührten mich, dann begann sich ihr Körper zu bewegen, unterstützt durch Dutzende von Händen, Armen und sich an uns pressende Leiber. Die Zunge der Frau glitt durch meine Mundhöhle, und ich spielte mit dem Gedanken, sie einfach abzubeißen. Im letzten Moment erinnerte ich mich, was mit Kreuzbeißers Zunge geschehen war, nachdem Meret sie ihm aus dem Maul gerissen hatte. So schloss ich die Augen und ließ es über mich ergehen, während das Stöhnen der Frau und der uns umhüllenden Leiber zunahm, sich zu einem grotesken Heulen steigerte und in einem vielstimmigen Aufschrei gipfelte, auf dessen Höhepunkt die gesamte Meute in den Sumpf zurücksank und mich mit sich in die Tiefe riss.
    Sekundenlang hing ich machtlos in der Umarmung, dann fühlte ich, wie einer nach dem anderen uns wieder freigab und sich entfernte. Am Ende, als ich glaubte, ersticken zu müssen, hielt mich nur noch die Frau umfangen, spannte sich und katapultierte unsere Köpfe wieder an die Oberfläche.
    Nie zuvor hatte ich geglaubt, dass pechgeschwängerte Luft so herrlich schmecken konnte. Ich sog sie so tief in meine Lungen, dass ich das Gefühl hatte, sie würden platzen.
    »Warum tut ihr das?«, keuchte ich, als ich mich wieder zum Sprechen in der Lage fühlte. »Ich wäre fast gestorben wegen eurer Wollust!«
    »Niemand stirbt hier, Krispin.«
    Ich stieß die Frau von mir. Ihr Gesicht wirkte unter der schwarzen Masse entspannt und befreit.
    »Wer bist du?«
    »Ich heiße Leainti.« Sie beugte sich nach hinten, sodass ihr langes Haar im Pech versank. Ich hielt sie fest, damit sie nicht unterging, was sie zu amüsieren schien.
    »Wer seid ihr? Und wo sind wir hier?«
    Die Frau wirkte überrascht. »Du stürzt dich in eine ungewisse Tiefe? Was hat dich zu dieser Dummheit bewogen?«
    Ich verstärkte den Druck auf ihre Arme. »Antworte!«, forderte ich.
    »Dort, wo ich herkomme, nannte man diesen Ort bīt ekletu.« Sie befreite sich mit einem heftigen Ruck aus meinem Griff und bewegte sich ein Stück von mir fort. »Das Haus der Dunkelheit.« Ich sah Leainti verständnislos an. Sie verzog das Gesicht und sagte: »Entweder du hast wirklich keine Ahnung, oder du willst es nicht wahrhaben, so wie die meisten hier. Ein alter Freund, der lange Zeit vor dir zu uns verstoßen wurde, brachte mir ein Wort in seiner Sprache bei. Er nannte diesen Ort Malebolge.«
    »Malebolge«, überlegte ich laut, während die Frau mich erwartungsvoll beobachtete. »Willst du etwa behaupten, das hier sei die Hölle?« Ich musste lachten, doch es klang ein wenig zu hysterisch. Willkommen im fünften Tal, hallte der Chor der Sumpfbewohner in meinem Kopf nach. Nein, das war wirklich zu albern.
    Leainti neigte den Kopf und leckte sich das Pech von den Lippen. »Wirklich? Dann sag du mir, wo wir sind!«
    »Jedenfalls nicht im Reich der Toten.«
    »Es ist nicht das wirkliche ekletu, nur sein Abbild.«
    »Eine Version der Hölle?« Ich schnaubte verärgert. »In einem gigantischen Raumschiff, das in einer Wolke verborgen durch die Luft schwebt?«
    »Vielleicht.«
    »Diese gesamte Stadt ist nicht mehr als ein militärisches Konzept«, wehrte ich mich. »Oder ein Konstrukt für ein krankes wissenschaftliches Experiment.«
    »So?« Leainti glitt näher heran. »Mit dem einen oder anderen Fehler, aber was ändert das schon …«
    »Welcher Fehler?«
    »Ich war einst die Konkubine meines Gebieters Asarhaddon.« Mit zunehmendem Gebrauch klang ihre Stimme weicher und menschlicher. Aus dem Lurch, der zu sprechen begonnen hatte, war eine dreckverschmierte Frau geworden. »Ich kam an diesen Ort, nachdem unser Heer den aufsässigen König Sidon gefangen genommen hatte«, erzählte sie weiter. »Kurz vor unserer Rückkehr starb ich durch den Pfeil eines feindlichen Bogenschützen. Ein vergifteter Pfeil, der eigentlich für das Herz meines Gebieters bestimmt war.«
    »Warum traf er dich?«
    »Weil wir uns im Naba- Wagen vergnügten und ich auf seinem Schoß saß …« Sie lächelte freudlos. »Nun, wenn ich den Geschichten von Neuankömmlingen glauben darf, herrschte König Asarhaddon vor über zweieinhalbtausend Jahren. Ich bezweifle, dass es damals schon eine Streitmacht gab, die derart riesige Schiffe besaß.« Leaintis Mund verzog sich zu einem zynischen Lächeln. »Was schaust du mich

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