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Mortimer & Miss Molly

Mortimer & Miss Molly

Titel: Mortimer & Miss Molly Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Heinisch
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herumgegrabscht hat, wie hieß sie gleich, Prudie? Und
ich
könnte mir vorstellen, sagte Julia, dass es an der Highschool ein
girl
gab, das ihn eine Zeitlang als ihren
boy
akzeptierte. Partys. Schulball. Ein bisschen Geschmuse und Petting im Auto seines oder ihres Vaters ... Ach ja, sagte Marco, was man so aus amerikanischen Filmen mitkriegt.
    Aber das hätte nicht sehr weit geführt. Dieses Girl, nennen wir sie Maggie, ging oder fuhr alsbald mit einem anderen. Dafür dass sie sich im Ernst mit ihm einließ, war seine Familie nicht begütert genug. Wenn sich ein Mädel wie Maggie wirklich hingibt, muss sich das materiell lohnen.
    Dann, als er sich zum Militär meldete, weil er Flieger werden wollte, hatte Mortimer allerdings bald eine richtige Verlobte. In seinem Heimatort machte es Eindruck, wenn er in Uniform, mit dem etwas schräg aufgesetzten Käppi, auf Urlaub kam. Und wer war diese Verlobte? Am ehesten eine Tochter aus der Nachbarschaft. Name? Hazel, sagte Julia. Ja, ich bin fast sicher, sie hieß Hazel.
    Familie aus dem Mittelstand, wie die Mortimers auch. Lokale Getreidehändler oder Betreiber eines Sägewerks. Mit Hazel gab es natürlich vorerst keinen Sex. Oder bestenfalls bis hierher (Julia zeigte, bis wohin) und nicht weiter.
    Dann allerdings, in der Nacht, in der Mortimer von ihr Abschied nahm ... Noch einmal auf Kurzurlaub, bevor er in den Krieg nach Europa geschickt wurde ... Da gingen sie doch etwas weiter als bisher, und dann noch etwas weiter ... Und eigentlich war ihre Stimmung überhaupt nicht danach, aber wer weiß, vielleicht war es ja die letzte Gelegenheit, die sie miteinander hatten, und dann war es auf einmal geschehen.
    So hastig, so kurz, so gar nicht besonders schön ... Ja, um ehrlich zu sein, hatten sich das beide recht anders vorgestellt ... Womöglich wirklich erst nach der Hochzeit, auf einer kleinen Hochzeitsreise in einem anständigen, sauber gemachten Bett ... Und jetzt hast du mich auf einer Couch gehabt, sagte Hazel, und das klang einerseits wie eine Feststellung, aber anderseits wie ein Vorwurf.
    War das für Mortimer wirklich das erste Mal? Nein. Wahrscheinlich war er während seiner Spezialausbildung in Colorado oder Arizona in irgendeinem Bordell gewesen. Auch wenn es dort so etwas offiziell gar nicht gab. Doch die Soldaten, die da ausgebildet wurden, mussten sich doch irgendwie abreagieren, damit sie einander tags nicht dauernd verprügelten und nachts in den Schlafsälen nicht auf dumme Gedanken kamen.
    Und dann hatte er womöglich noch ähnliche Erfahrungen in Nordafrika und Europa gemacht. Wenn die Truppe ins Puff ging, konnte man sich nur schwer ausschließen. Wenn man ein richtiger Mann sein wollte, und das musste man. Aber gerade diese Erfahrungen waren alles andere als anregend.
    Fucking
eben. Ficken im Blindflug, im Sturzflug. Das war etwas, das man hinter sich bringen musste. Nun, mit Molly, war das etwas sehr anderes. Eben nicht
fucking
(ein bezeichnend hässliches Wort, dessen Gebrauch als Adjektiv klarstellt, was die Leute, die es im Munde führen, von Sexualität halten).
    Der Sex, den Mortimer kannte, hatte ja immer im Verborgenen stattgefunden, verschämt im Dunkeln oder peinlich im Zwielicht. Nun aber, hier draußen, fanden Molly und er immer mehr Gefallen daran, sich unter freiem Himmel aneinander zu erfreuen. Nackt und schön füreinander, manchmal scherzhaft geschmückt mit Ginsterblüten. Molly, die Elfe oder nach und nach eher die Nymphe, und Mortimer – den Ballast seiner mittelwestlichen Hemmungen abwerfend – der Faun.
    Ab und zu spielten sie wirklich diese Rollen. Davonlaufen und einfangen, das war ein vergnügliches Spiel. Wäre in einem solchen Moment aus dem Himmel über ihnen ein Tiefflieger erschienen, mit einem Piloten von ähnlich puritanischem Background wie Mortimer, wer weiß, was dem eingefallen wäre angesichts der beiden nackten Figürchen, die er ungefähr so gesehen hätte, wie man sie auf einem Bild von Hieronymus Bosch sieht. Sie hatten aber Glück. Erstaunlich lang erschien kein Tiefflieger.
14
    Manchmal war hier draußen nichts anderes zu hören als die Geräusche und Stimmen der Natur. Das Plätschern des Flusses, der seinen Weg über große und kleine Steine nahm, das Rauschen der Baumkronen im Wind ... Das Summen der Insekten, der Gesang der Vögel, das Zirpen und Schrillen der Grillen und Zikaden ... Und das Quaken der Frösche, die, untertags fast unsichtbar auf den Steinen und im Schilf am Ufer hockend, gegen Abend und in

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