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Mortimer & Miss Molly

Mortimer & Miss Molly

Titel: Mortimer & Miss Molly Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Heinisch
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der Nacht fast unverschämt laut wurden.
    Und Waldtauben versicherten einander, dass sie da waren, und ein Kuckuck rief beharrlich seinen Namen. Ab und zu hörte man auch die Rufe von Bussarden oder Habichten. Prächtige Vögel, Paare, die mit durchsonntem Gefieder über dem Wald kreisten. Mortimer sah sie meistens zuerst: Schau, sagte er, da oben sind sie!
    Doch dann auf einmal wieder den Krieg zu hören! Das grimmige Donnern der Granatwerfer, das gereizte Brummen der Flugzeuge. Zwar redeten sie sich und einander ein, das sei noch immer weit genug entfernt. Aber tatsächlich kam es näher und näher.
    Die alliierten Bodentruppen hatten den Pass zwischen Radicofani und dem Monte Amiata überschritten, die alliierten Flieger, Mortimers Kameraden, waren dabei, sich auf die deutsche Stellung in San Vito zu konzentrieren. Es war nur mehr eine Frage von Tagen, bis es dort ein amerikanisches Kommando geben würde. Und was dann? Spätestens dann musste sich Mortimer bei seiner Einheit zurückmelden. Ohnehin würde es nicht leicht zu erklären sein, wo er die ganze Zeit über geblieben war.
    Doch daran wollten sie jetzt noch nicht denken,
not yet, my love
! Nachts lagen sie eng beisammen, ihre linke Brust in seiner rechten Hand. Sie lag mit dem Rücken zu ihm, aber diese Stellung bedeutete keineswegs Abwendung. Eingepflanzt lag sie in der bergenden Höhlung seiner Umarmung.
15
    Ja, so zu liegen und einander nahe zu sein. Marco und Julia spielten auch diese Szene nach. Oder spielten sie diese Szene
vor
? Stellvertretend für Schauspieler, die diese Rollen einmal verkörpern würden?
    Es sei jedenfalls gut, fand Julia, nicht zu sehr an diese Schauspieler zu denken. Vorläufig waren Marco und sie die Akteure. Stuntman und Stuntwoman, in Action, aber ganz still liegend. Denn das, sagte Julia, sei keineswegs bloß eine Ausgangsposition für sexuelle Aktivitäten.
16
    Marco und Julia verbrachten viel Zeit dort draußen. Aber sie sagten niemandem, wohin sie fuhren.
Siete sempre in giro
, sagte Nino,
il postino
.
Tanto è vero
, wir fahren viel herum, sagte Marco.
    Sie hatten ja schon im Vorjahr die Stelle am Fluss nicht verraten, an der sie so gern zu zweit waren. Die Stelle mit dem großen flachen Stein, auf dem es sich so angenehm lag. Aber das war nur
ihre
Stelle gewesen. Mit dem Platz, den sie nun entdeckt hatten, dem Platz, am dem sie ganze Tage und manche Nächte dieses ihres zweiten Aufenthalts in San Vito verbrachten, verhielt es sich noch etwas anders.
    Ihn zu verraten wäre ihnen auch als Pietätlosigkeit gegenüber Molly und Mortimer erschienen. Auch wenn sie natürlich nicht sicher wissen konnten, ob die zwei wirklich dort gewesen waren. Anderseits schien dort ganz einfach alles zu passen. Und sie vertrauten ihrer Intuition.
    Auch über den Film wollte Marco lieber nicht reden. Nicht einmal mit Paolo, dem kleinen Fotografen. Da er mehr Super-8-Material brauchte, als Paolo lagernd hatte, musste der für ihn Nachschub aus Siena bestellen. Aber auf die Frage, was in aller Welt er denn alles mit der
Bolex
aufnehme, die den Fotografen natürlich auch aufgrund ihrer avancierten technischen Details interessierte, gab Marco nur ausweichende Antworten.
    Vorsicht, sagte er, sei die Mutter der Weisheit. Nicht dass er glaube, Paolo oder sonst jemand von den freundlichen Menschen in San Vito würde die Idee klauen. Aber man könne nicht wissen, bei wem sie womöglich lande. Manchmal gibt es bekanntlich blöde Zufälle
.
    Wer garantiert uns, dass nicht heute oder morgen jemand in diesem netten Städtchen vorbeikommt, der irgendetwas mit Film zu tun hat? Wir müssen nicht gleich an einen Drehbuchautor oder Regisseur denken. Es reicht schon ein Scriptgirl, ein Beleuchter, ein Tontechniker, eine Kostümbildnerin. Die müssen gar nicht lang bleiben, gehen nur ein paar Schritte durch die Via Dante, werfen einen Blick auf die Collegiata, trinken einen
aperitivo
.
    Und wollen schon wieder weiterfahren, in irgendeinen Ort, der etwas bekannter und eleganter ist als dieser, etwa Montalcino oder Montepulciano ... Aber da hören sie auf der Piazza oder in einer der Bars, dass von einem Film die Rede ist ... Von einem Film, den irgend so ein schräger Typ aus Turin und seine Freundin aus Wien im Sinn haben ... Für diese zwei interessieren sie sich nicht weiter, aber wenn es um Film geht, spitzen sie unwillkürlich die Ohren.
    Sie brauchen gar nicht mehr mitzubekommen, als dass dieser Film von einem amerikanischen Soldaten handelt, der im

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