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Mortimer & Miss Molly

Mortimer & Miss Molly

Titel: Mortimer & Miss Molly Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Heinisch
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wurde erstaunlich rasch akzeptiert.
    Vielleicht lag das auch daran, dass sie aus einem Land kam, das damals in politischen Dingen ein erstaunlich gutes Image hatte. So viel glaubte besonders Luigi mitbekommen zu haben, dass es in Österreich gelungen sei, so etwas wie den
compromesso storico
zu verwirklichen. Julia versuchte das zu relativieren. Aber auf dem Niveau ihrer damaligen Sprachkenntnisse war das nicht leicht. Jedenfalls ist euer Kanzler – wie heißt er? – (Luigi sprach den Namen Kreisky etwas abenteuerlich aus)
un uomo saggio
.
    Julia wollte das nicht in Abrede stellen. Ja, es gefiel ihr ganz gut, dass man sie in dieser Runde ein bisschen wie eine Enkelin Kreiskys behandelte. Der dann allerdings bald nicht mehr Kanzler war, sondern nur mehr Exkanzler, was Luigi einfach nicht zur Kenntnis nehmen wollte. Er war übrigens der erste von Antonios Freunden, der zugab, dass er bei der nächsten Wahl die Sozialdemokraten wählen würde – ihm imponierte nicht nur Kreisky, sondern auch Craxi und der war der kommende Mann.
    Ein wenig gehörten Marco und Julia also schon dazu. Dass sie immer wiederkamen, wurde zur Kenntnis genommen und gutgeheißen.
Come le rondine
, wie die Schwalben, sagten
Il veloce
und seine Frau Ines, bei denen sie meist gleich, nachdem sie wieder einmal angekommen waren, ein paar Lebensmittel einkauften. Nicht so sehr, weil sie die so rasch brauchten, aber weil es eine Gelegenheit war, freundlich Guten Tag zu sagen.
    Come le rondine
, dieser Vergleich stimmte zwar nicht ganz, denn meist kamen sie etwas später als die Schwalben. Aber so viel traf zu, dass sie nun schon mehrere Jahre wiedergekommen waren und aller Wahrscheinlichkeit nach weiterhin wiederkommen würden. Auch abgesehen vom Mortimer-und-Molly-Spiel, das ihren Aufenthalten hier natürlich eine besondere Note gab, war San Vito der richtige Ort für sie:
Il posto giusto
. Der Ort, an dem ihre Liebe blühte und gedieh, an dem ihnen nichts widerfuhr, das diese Liebe behinderte und die Freude daran trübte.
    Woran immer das lag – es war eine Erfahrungstatsache. Im Gegensatz dazu ging alles irgendwie schief, was sie irgendwo anders miteinander erwogen oder versuchten. In San Vito stand über ihrer Liebe ein guter Stern. Anderswo war dieser gute Stern anscheinend nicht ganz so wirksam.
    Wie in Verona. Das wäre ja im Prinzip sehr schön gewesen. Nur leider waren sie dort nicht ganz so zusammengekommen, wie sie es erhofft hatten. Und das passierte ihnen noch mehrere Male. Wenn auch nicht immer nur in Bezug auf das eine – es gab und gibt ja auch andere Enttäuschungen.
2
    Wie etwa damals, als Marco doch noch nach Wien kam. Wohlgemerkt zu einer relativ schönen Jahreszeit. Zu Ostern. Allerdings war Ostern in diesem Jahr schon Ende März. Das Wetter war also auch nicht gerade ideal, aber sicherlich besser als im November.
    Immerhin war
Der Kuss
von Klimt diesmal nicht verliehen. Marco hatte es kaum erwarten können, dieses Bild zu sehen, also hatte ihn Julia noch am Vormittag nach seiner Ankunft ins Obere Belvedere geführt.
È veramente bello
, hatte er gesagt, als sie Hand in Hand davor standen. Und als sie dann, nach dem Besuch der Galerie, ins Freie traten und das Panorama, auf das sie vom Belvedere-Hügel blickten, fast so aussah wie auf einer der Stadtansichten von Canaletto, in einem schönen, wenn auch etwas blassen Licht, da hatte Julia den Eindruck, dass sich alles recht gut anließ.
    Aber leider ging es dann nicht so gut weiter. Die Donau war natürlich nicht annähernd so blau, wie sie sein sollte. Die
cucina Viennese
sagte ihm vom ersten Imbiss an, den sie im
Jägerhaus
im Prater einnahmen, ganz offensichtlich nicht zu, auch wenn er höflich war und etwas von einem
gusto particolare
redete. Und das abendliche Konzert im Musikvereinssaal, für das Julia, verrückt genug, zwei für ihre damaligen Verhältnisse sehr teure Karten besorgt hatte, war eben nicht das
Concerto di capodanno
, durch dessen Übertragungen (jahrelang ein Ereignis, zu dessen Anlass seine Mamma und er gemeinsam vor dem Bildschirm gesessen waren) Marco offenbar konditioniert war.
    Als Alternative zu diesem doch etwas bürgerlichen Programm führte Julia Marco am zweiten Abend in ein Kellertheater. Und, ja, die Premiere des angeblich sehr engagierten neuen Stücks eines erstaunlich lange als jung geltenden österreichischen Dramatikers hätte ihm durchaus zusagen können. Aber erstens verstand er, der, allen guten Vorsätzen zum Trotz, noch immer kaum

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