Mortimer & Miss Molly
nicht rühren.
Trotzdem hatten sie es, wie gesagt, schön in diesen Tagen. Wie schön sie es doch hatten, versicherten sie einander wiederholt. Sie gingen viel spazieren in der Umgebung. Sie sammelten hübsche, schwarze, vulkanische Steinchen, die oft auf den Wegen, und Stachelschweinstacheln, die manchmal an den Rändern des Ginstergebüschs zu finden waren.
Und sie lagen auf den Liegestühlen, die ihnen die Vermieter noch eigens vorbeigebracht hatten, und blinzelten einander zu. Manchmal beobachteten sie ein nettes, pelziges Insekt mit schwirrenden Flügeln, das manövrieren konnte wie ein Hubschrauber. In der Luft fast stillstehend, tauchte es einen erstaunlichen Rüssel in die Blumenkelche. Und wenn sie die Augen schlossen, hörten sie meist die Amsel singen, die in der Hecke hinter ihnen nistete.
Und sie aßen gut, entweder was sie in der praktisch eingerichteten Küche selbst zubereiteten oder was sie sich in Restaurants, die ihnen nun nicht mehr zu teuer waren, leisteten. Und sie tranken gut, nicht nur in den Restaurants, sondern auch im Haus, das
Il vignaiolo
hieß, also der Weingärtner – die Vermieter boten einen recht gepflegten Rosso di Moltalcino an. Und sie hatten guten Sex, sie waren ja gut aufeinander eingespielt, und das Spiel zu zweit machte ihnen nach wie vor Freude. Aber etwas stimmte nicht, die Dinge, über die sie hätten reden sollen, zumindest wenn es nach Julia gegangen wäre, kamen eigenartig lang nicht zur Sprache.
Das heißt, sie versuchte sie wohl zur Sprache zu bringen. Aber Marco schaffte es mehr als eine Woche lang auszuweichen. Kam immer gleich wieder auf etwas anderes zu sprechen. Etwa auf Lebensmittel, die sie auf dem Markt einkaufen sollten, weil er, der (zum Unterschied von ihr) gern kochte, ihr die Zubereitung dieser oder jener Spezialität demonstrieren wollte, oder auf Orte, die sie noch nicht kannten, aber besuchen könnten, weil sie ja eigentlich gar nicht so weit von hier entfernt waren.
Sie konnte sich nicht helfen, ihr Eindruck, dass da irgendetwas nicht stimmte, verging nicht. Das war nicht mehr ganz der Marco, den sie kannte und liebte. Was ihr besonders zu denken gab, war die Tatsache, dass er nur wenig auf ihre Anregungen einging, das Fantasiespiel, das sie all die Jahre gespielt hatten, fortzusetzen. Wenn sie ihn doch dazu brachte, dann war er, so jedenfalls ihr Eindruck, nur halbherzig dabei.
2
Und dann kam der 10. August, die Nacht, in der man besonders viele Sternschnuppen erwartet.
La Notte di San Lorenzo
, die Nacht des heiligen Laurentius. In dieser Nacht (oder auch schon etwas davor und noch etwas danach) durchquert die Erde den Meteoritengürtel der Perseiden. Marco wusste das natürlich besser als Julia, jenseits der Alpen, sagte sie, um ihre diesbezügliche Ignoranz, über die er sich wunderte, zu erklären, ist der Himmel selten so klar wie hier bei euch, und daher verursacht dieses Meteoritenspektakel dort weniger Aufregung.
Hier aber, in der südlichen Toskana, würde der Himmel in dieser Nacht ganz besonders klar sein. Jedenfalls versprach das der Wetterbericht. Und da sei es empfehlenswert, sagte Marco, zur Beobachtung des Himmelsschauspiels irgendwo hinaufzusteigen. Obwohl sich Julia ehrlich gesagt nicht vorstellen konnte, dass das in Anbetracht der Entfernung wirklich einen Unterschied machte.
Wie dem auch sei, sie stiegen auf den heiligen Hügel. Das war eine mit Ginstergebüsch und Zypressen bewachsene Anhöhe, die sie so getauft hatten, weil sie tatsächlich so aussah. So nämlich, als hätte es mit ihr irgendeine kultische Bewandtnis. Früher, vor bloß zweieinhalbtausend Jahren, hatten die Etrusker hier gesiedelt, Marco war sicher, dass dieser Hügel irgendetwas mit jenen interessanten Vorfahren zu tun hatte.
Der heilige Hügel war vielleicht siebzig Meter hoch und kaum mehr als fünfhundert Meter von ihrem Häuschen entfernt. Es war also kein Problem, eine Flasche Nobile di Montepulciano mitzunehmen. (Einen sehr guten Jahrgang, den sie extra für diesen Abend besorgt hatten, denn zu so einem Anlass, meinte Marco, musste es schon ein besonderer Wein sein.) Sowie zwei edle, langstielige Gläser und einen Korkenzieher.
Zwar war der Aufstieg mit dem Korb, in dem sie das alles verstauten, dann doch etwas abenteuerlicher, als sie gedacht hatten. Es hatte schon lang nicht geregnet, der Lössboden war staubtrocken, darauf ließ sich nur schwer Fuß fassen. Der abgeblühte Ginster, der links und rechts des schmalen Pfades wuchs, war
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