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Mortimer & Miss Molly

Mortimer & Miss Molly

Titel: Mortimer & Miss Molly Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Heinisch
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zwanzig Worte Deutsch gelernt hatte, verbal fast gar nichts. Und zweitens begann er nach der Pause, in der ihm Julia den Autor, den sie infolge ihrer Tätigkeit im Verlag persönlich kannte, vorstellte, darüber zu grübeln, ob sie mit diesem Typ, der sie zur Begrüßung auf beide Wangen geküsst hatte, etwas gehabt hatte.
    Er sprach das nicht aus, aber Julia sah es ihm an. Und – so schade das war – es verdross sie ein bisschen. Was die Liebe betraf, so schliefen sie zwar an beiden Abenden miteinander, aber auch das verlief merkwürdig unrund. Julias Bett gefiel Marco, wie er beteuerte, zwar als Möbel sehr gut, aber die Federkernmatratze war ihm ehrlich gestanden ein bisschen zu hart.
3
    Julias Besuch in Turin war erst recht kein großer Erfolg. Obwohl auch hier die Voraussetzungen recht gut gewesen wären. Das war im Frühherbst. Die Luft war luzid. Es spazierte sich schön unter den Arkaden. Und die Durchblicke Richtung Alpen waren wirklich sehenswert.
    Marco zeigte Julia die Ecke, an der Nietzsche angeblich das durch ihn berühmt gewordene Droschkenpferd umarmt hatte. Gewiss, sagte er, dieser Meisterdenker habe so manchen Gedanken zu Papier gebracht, den man als reaktionär bezeichnen könne. Aber er habe Turin und seine Küche geliebt, die guten piemontesischen Weine nicht zu vergessen, und das mache ihn sympathisch. Julia sagte, sie empfinde eher Sympathie für Lou Andreas-Salomé, die diesem Macho gezeigt habe, was eine starke Frau sei.
    Eine starke Frau war allerdings auch Marcos Mutter, die sie gleich anschließend an diesen ersten Spaziergang besuchten. Jedenfalls eine Frau, die spürbar Macht ausübte. Wenn auch indirekt, in der perfekt gespielten Rolle der leidenden Person. Julia war schon klar gewesen, dass der Besuch bei ihr heikel sein werde, aber so extrem hatte sie sich das denn doch nicht vorgestellt.
    Diese hinter ihren schwarzen Brillen versteckte alte Dame. Eine hinterhältige Geschlechtsgenossin. Gab sich so, als ob sie fast blind wäre, aber sah, wie sich binnen kurzem herausstellte, ganz gut. Warum tragen Sie so lange Röcke, fragte sie die junge Konkurrentin, die sie ganz deutlich nicht als potentielle Schwiegertochter sehen wollte, haben Sie so hässliche Beine?
    Die treue Nelda servierte den anscheinend unvermeidlichen Vin Santo samt den dazu obligaten Cantucci. Greifen Sie nur zu, sagte Marcos Mutter, Sie lieben ja offensichtlich Süßigkeiten. Schön, dass Sie mich besucht haben, sagte sie schließlich, als sich Marco und Julia endlich wieder aus den Lehnsesseln, in denen sie ziemlich tief gesunken waren, erheben durften. Es war mir ein Vergnügen. Nelda wird Sie zur Tür begleiten. Grüßen Sie mir Wien.
4
    Einmal trafen Marco und Julia einander in Paris. Und das hatte natürlich was, dort fühlten sie sich beide wohl. Wohnten in einem netten kleinen Hotel, schlenderten an der Seine entlang, saßen in Cafés und Bistros. Da war keine Turiner Mutter, die ihnen die Stimmung verdarb, und da waren keine Wiener Autoren, die Marco verdächtig waren.
    Und die französische Küche schätzten sie beide. Allerdings aßen sie am zweiten Abend ihres dreitägigen Aufenthalts in dieser schönen Stadt ein Muschelgericht, das ihnen nicht bekam. Das war schade, denn in der folgenden Nacht waren sie absolut nicht zur Liebe aufgelegt. Da blieb ihnen nur der Trost, dass sie sich ja bald wieder in San Vito treffen würden.

Sechs
1
    Doch dann kam der Sommer, in dem es auch in San Vito schiefging. Dass auch das passieren könnte – nie hätten sie so etwas gedacht. Und dabei hatte alles so vielversprechend begonnen. Anfang des Jahres hatten Marco und Julia noch die schönsten Pläne für ihre gemeinsame Zukunft gemacht.
    Dass Marcos Mutter im November davor gestorben war,
la mamma
, die er nicht hatte allein lassen können und die ihn nicht hatte loslassen wollen, war gewiss traurig. Aber natürlich war es auch eine Befreiung. Da ergab sich so manche neue Perspektive. Und nach drei Monaten Pietät ließ sich schon eher unbeschwert darüber telefonieren und schreiben.
    Vor dem Ableben der Mamma war der Gedanke an ein gemeinsames Leben da (in Turin) oder dort (in Wien) eine Fata Morgana gewesen, schön, aber realitätsfern. Nun aber lebte dieser Gedanke auf. Vielleicht fand sich ja ein Job für Julia an der Turiner Uni oder in irgendeinem Sprachinstitut. Warum denn nicht? Sie konnte inzwischen gut genug Italienisch, um in Italien Deutsch zu unterrichten.
    Oder Marco konnte nach Wien kommen, auch wenn seine

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