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Mortlock

Mortlock

Titel: Mortlock Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jon Mayhew
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sollte.
    »Das hier ist noch nicht vorbei, Josie Chrimes. Bald werde ich auch deine Eingeweide verspeisen«, kreischte Tante Veronicas Stimme, während der Ghul die Schwingen ausbreitete und durch das Fenster floh, das in tausend Splitter zerbarst. »Aber vorher erwartet mich noch ein Festmahl.« Mit keckerndem Lachen und rauschendem Flügelschlag verschwand der Ghul in der Dunkelheit.
    Gimlet kam in die Garderobe gestürzt, eine Spitzhacke über der Schulter, gefolgt von drei rotgesichtigen Bühnenarbeitern mit ähnlichen Waffen.
    »Allmächtiger«, sagte einer der Männer und schlug die Hand vor den Mund. Fassungslos blieben sie stehen, als sie die zerfleischten Überreste von Ernie Cumbers sahen.
    »Josie!«, rief Gimlet und kniete sich neben sie.
    Vor Josies Augen verschwamm alles, aber sie sah, wie immer mehr Leute herbeigelaufen kamen. Ein Polizist schob sich durch die Menge.
    »Was ist hier passiert, Miss?«, rief er über die Stimmen der anderen hinweg.
    »Haben Sie irgendetwas gesehen?«, fragte jemand anders.
    »O Gott, ist das … ist das Ernie?«
    Josie versuchte zu sprechen, doch ihr Magen krampfte sich zusammen, und der Raum begann sich zu drehen. Dann versank sie in tiefer Dunkelheit.
    Der Geruch nach Leinöl und Sägespänen kitzelte Josies Nase. Sie spürte das Gewicht warmer Decken auf ihrem Körper.Als sie die Augen öffnete, sah sie, dass sie in der Ecke eines riesigen Samtsofas lag, das so abgewetzt war, dass an einigen Stellen schon die Polsterung herausschaute. Von nebenan klangen Gehämmer und das Geräusch einer Säge herüber. Gimlets Büro. Sobald Josie erkannte, wo sie war, fühlte sie sich in Sicherheit und kuschelte sich tiefer in das Nest aus Decken.
    Doch dann kamen schlagartig die Erinnerungen an den vergangenen Abend zurück: die Flucht, Ernies Todesschreie … Josie setzte sich auf und erschauerte, als die kalte Luft ihre Schultern umfing. Cardamom war ebenfalls tot. Heiße Tränen liefen ihr über die Wangen, als sie daran dachte, wie er leblos auf sein Kissen gesunken war.
    Mühsam erhob sie sich aus der wohligen Wärme ihres improvisierten Lagers. Sie hatte diesen Raum seit jeher geliebt, den großen Schreibtisch, der immer vollgepackt war mit Papieren, Zeichnungen, Büchern, Plänen, Farbmustern, Tassen, Gläsern und Tellern. Die nackten Dielen fühlten sich eiskalt an, als Josie zu der Tür ging, die nach nebenan in Gimlets Werkstatt führte.
    Gimlet war damit beschäftigt, die Kanten einer großen Truhe glatt zu hobeln. Josie sah zu, wie die Muskeln seiner Arme sich unter der Haut bewegten, während er den Hobel über das Holz gleiten ließ. Er erinnerte sie an einen Zirkusakrobaten, klein, aber kräftig, mit Muskeln wie Drahtseile. Überall an den Wänden stapelten sich Kisten in unterschiedlichen Fertigungsstadien, manche bunt bemalt, manche mit dem Namen anderer Zauberkünstler verziert. Josie schniefte leise, und Gimlet sah auf. Er legte den Hobel beiseite und strich sich das dichte schwarze Haar aus dem Gesicht.
    »Du bist wach«, sagte er. »Alles in Ordnung?«
    Josie nickte.
    Gimlet kratzte sich seinen Backenbart. »Das war ja vielleicht ein Abenteuer. Das ganze Theater stand kopf. Komm, wir machen das Feuer an, und dann erzählst du mir alles bei einem Glas heißem Punsch.«
    Josie konnte ihre Geschichte nur stockend erzählen. Manchmal musste sie eine Pause einlegen und Luft holen, bevor sie weiterreden konnte, und immer wieder kamen Tränen.
    »Er ist tot, Gimlet«, schluchzte sie, als sie ihm alles gesagt hatte. Gimlet nickte. Sein Gesicht war von Kummer gezeichnet. »Sie haben behauptet, sie kannten ihn. Sie haben ihn getötet, aber ich weiß nicht, warum.« Ihre Augen fühlten sich müde und wund an. »Er hat mir das hier gegeben.« Josie holte den Brief aus ihrem Rockbund, faltete ihn auseinander und las ihn zum ersten Mal, während Gimlet sie im Arm hielt. Die Schrift war fleckig und zittrig, aber es war eindeutig die ihres Vormunds.
    Liebe Josie,
    es gibt so vieles, was ich dir noch erzählen wollte, so viele Dinge, die ich bedaure und die nun mit mir begraben werden. Die Wahrheit liegt immer am Ende des nächsten Satzes, den wir niemals aussprechen. Niemand weiß, wo die Amarant ist. Vergib mir meine strengen Worte in der Vergangenheit, und die Male, wo ich dich vernachlässigt habe. Ich habe dich immer geliebt. Nun denke an meine letzten Worte und schenke meinem Lebewohl keine Beachtung. Wir werden uns wiedersehen. Dies ist mein letzter Wille: Ich sei in

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