Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Mortlock

Mortlock

Titel: Mortlock Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jon Mayhew
Vom Netzwerk:
Mortlock. »Ich sah einen Totenkopf, Schädel und Beinhäuser … Wir können die Amarant nicht mitnehmen. Das waren Warnungen.« Schweiß rann ihm über die Stirn. »Wir müssen verschwinden, und wir dürfen nie wieder hierherkommen.«
    »Wo wir sie endlich gefunden haben?«, widersprach Corvis und sah Chrimes und Mortlock an. »Vielleicht gibt es eine Möglichkeit. Wenn wir die Amarant mitnehmen, werden wir berühmt und reicher, als wir uns je erträumt haben.«
    »Meinst du wirklich?« Mortlock stand auf. »Wir haben unsere Chance gehabt. Ich bin dafür, sie in Ruhe zu lassen.«
    »Du hast Recht«, sagte Chrimes und strich sich mit zitternden Fingern über seinen schmalen roten Bart. »Wir können die Amarant nicht mitnehmen. Sie würde uns vernichten.«
    »Wir müssen schwören, dass keiner von uns jemals hierher zurückkehrt«, sagte Mortlock. Er streckte die Hand aus, zog sein Messer aus dem Gürtel und schnitt sich damit in die schwielige Handfläche. Dann reichte er das Messer an Chrimes weiter. »Ein Blutschwur.«
    »Einverstanden.« Chrimes verpasste sich ebenfalls einen Schnitt und legte seine Hand auf die von Mortlock.
    Beide sahen zu Corvis, der das Gesicht verzog und nur zaghaft mit der Klinge über seine Haut kratzte, sodass kaum Blut austrat. Dann legte er seine Hand auf die seiner Freunde.
    »Ein Schwur«, murmelte er leise und wich Mortlocks Blick aus. »Dass die Amarant niemals von hier fortgebracht wird.«



ERSTER TEIL

London, 1854



Gar viele trauern nun um ihn,
    Doch niemand erfährt, wohin er ging.
    Über sein abgenagtes Gebein
    Pfeift immerdar der Wind allein.
    Die zwei Raben
(The Two Ravens)
,
altes Volkslied

1. KAPITEL

Die Messerwerferin
    Josie Chrimes hielt das Messer an der Klinge. Sie spürte, wie das Gewicht des Griffs nach unten zog und der kalte Stahl zwischen Daumen und Zeigefinger lag, als sie den Arm vor sich ausstreckte. Der Große Cardamom stand zwanzig Schritt entfernt.
Er könnte doppelt so weit weg stehen, und ich würde immer noch treffen
, dachte sie. Josie verfehlte ihr Ziel niemals. Langsam hob sie den Arm, dann ließ sie ihn heruntersausen und schleuderte das Messer mit einer geübten Bewegung des Handgelenks auf sein Ziel zu.
    Sie hörte, wie das Publikum nach Luft schnappte, und lächelte. Das Messer flog blitzend über die Bühne und nagelte mit einem
Wump!
den Zylinder des Großen Cardamom an die Korkwand hinter ihm. Messer um Messer hatte sie seinen Umriss nachgezeichnet, so dicht, dass die Leute in den vorderen Reihen mit großen Augen den Kopf gereckt hatten, in der Hoffnung, irgendwo Blut zu entdecken. Doch nun hatte das letzte Messer sein Ziel erreicht, Cardamom trat vorsichtig unter seinem Zylinder hervor, der an der Korkwand hängen blieb, und strich sein rotes Haar glatt. Dann verbeugte er sich schwungvoll, wobei er Josie unauffällig zuzwinkerte. Das Publikum klatschte und jubelte wie verrückt.
    Josie überquerte im Schein des Rampenlichts die Bühne,ergriff Cardamoms Hand und verbeugte sich zusammen mit ihm, so tief, dass sie mit der Nase fast ihren Rock berührte.
    Als die beiden sich wieder aufrichteten, sah sie zu Cardamom hinüber. Mittlerweile war sie fast größer als er. Auf der Straße hätten sie ein seltsames Paar abgegeben: er klein und rund, mit gefärbtem rotem Haar, gezwirbeltem Schnurrbart und rot gefüttertem Mantel, sie in einem Trikot mit einem leichten Kleid darüber, die langen blonden Haare mit einer schwarzen Schleife zusammengebunden. Doch auf der Bühne passten sie immer noch perfekt zusammen.
    Josie holte tief Luft. Sie roch den Schweiß der Zuschauer und den Staub, der sich in den Samtvorhängen festgesetzt hatte. Die Musik aus dem Orchestergraben erfüllte den Saal und vibrierte in ihren Knochen.
Hier gehöre ich hin
, dachte sie und drückte die Hand ihres Vormunds, des Großen Cardamom.
    »Meine Damen und Herren.« Er hob die Hand, um für Ruhe zu sorgen. »Ich präsentiere Ihnen Artemis die Jägerin! Dreizehn Jahre alt und ein Talent, wie es die Welt noch nicht gesehen hat!«
    Nach dem erneuten Beifall fuhren sie mit ihrem Programm fort. Josie sah zu, wie Cardamom zum Staunen der Zuschauer auf Zuruf die kuriosesten Dinge aus ihren Taschen zog: Schweinefleischpasteten, Mausefallen, Früchte, Münzen, Tauben – sogar ein Frettchen erschien in seinen Händen. Schließlich holte er einen Strauß frischer Nelken aus seinem Mantel und warf sie mit einem Zwinkern Josie zu. Zwischendurch ließ er immer wieder einmal einen

Weitere Kostenlose Bücher