Mortlock
wiedergutmachen.« Er wandte sich zu Josie. »Der Tod hat keine Bedeutung mehr, wenn man die absolute Kontrolle darüber hat. Wir können sie zurückholen.«
»Wen können wir zurückholen?« Josie musterte ihn misstrauisch.
»Die Welt ist ein chaotischer und unglücklicher Ort«, sagte Corvis. Er stieg über den toten Ghul hinweg und trat zu ihr. Seine Stimme wurde sanft und vertraulich. »Mit der Amarant können wir selbst bestimmen, ob wir sterben oder ewig leben wollen. Und wir können diejenigen ins Leben zurückholen, die uns lieb und teuer sind …«
Für einen Moment vergaß Josie ihren Hass auf den Mann. Konnte er Cardamom tatsächlich zurückholen? Und Gimlet?Sie stellte sich vor, dass sie wieder bei ihr wären, mit ihr lachten und scherzten. Sie dachte an ihre Mutter, die sie nie wirklich gekannt hatte, und stellte sich vor, wie es wäre, eine richtige Familie zu haben.
Vielleicht würde Corvis mir helfen
, überlegte sie zögernd. Schließlich war er einmal Cardamoms Freund gewesen. Mortlock hatte die Amarant gestohlen, nicht ihr Vormund – dessen war sie ganz sicher.
»Aber wir können nicht alle ewig leben«, unterbrach Alfie Josies Träumereien. »Dafür ist gar nicht genug Platz. Mr Wiggins sagt, durch den Tod sorgt die Natur dafür, dass die Bevölkerung nicht zu groß wird.«
»Ah, ein Anhänger von Reverend Malthus und seiner Theorie der sogenannten ›Bevölkerungskontrolle‹, nehme ich an? Wie dem auch sei, junger Mann, natürlich würden wir nicht alle ewig leben lassen.« In Corvis’ dunklen Augen lag ein fiebriger Glanz. »Nur einige Auserwählte. Wir würden überhaupt nur einige Auserwählte leben lassen. Denkt doch nur mal an eure Heimatstadt, Kinder, an all das Elend und Verbrechen, an das Gedränge auf den Straßen. Die niederen Schichten vermehren sich immer weiter, verbrauchen unsere Vorräte, verbreiten Krankheiten und Epidemien und infizieren damit sogar die reicheren, nützlicheren Elemente der Gesellschaft. Und nun stellt euch eine Welt vor, in der nur wir, die wenigen Auserwählten, leben. Alle anderen existieren nur, um uns zu dienen, ohne zu essen, zu trinken oder zu schlafen … und ohne sich mit lästiger Regelmäßigkeit zu vermehren.«
»Wie wollen Sie die Leute davon abhalten zu essen?« Josie rückte näher zu Alfie, während Corvis erneut den Blick in träumerische Ferne richtete. »Und trinken und schlafen müssen sie auch.«
»Nicht, wenn sie tot sind«, sagte Corvis mit diabolischem Grinsen und packte sie am Handgelenk. Tante Mag lauschte ergriffen, die Hände an die Brust gedrückt. »Lebende Tote, erschaffen durch die Amarant, willenlose Sklaven, die nur meinem Befehl gehorchen! Sie könnten in unseren Fabriken arbeiten, in unseren Armeen kämpfen und in unseren Häusern dienen, ohne Rücksicht auf das eigene Wohlergehen, ohne körperliche Bedürfnisse. Und eine kleine herrschende Elite würde diese Nation zu nie gekannter Größe führen.«
»Und wenn wir die kostbare Pflanze haben, Mylord«, sagte Tante Jay voller Begeisterung, »werden wir unseren rechtmäßigen Platz an Ihrer Seite einnehmen.«
»Sie sind nämlich noch nicht ganz fertig, wisst ihr«, erklärte Corvis, als ginge es um ein paar junge Rennpferde, die er gekauft hatte. »Die tierischen Anlagen sind immer noch sehr stark. Und eine Seele haben sie auch nicht. Ich habe eine Menge Blut und Mühe gebraucht, um sie zu dem zu machen, was sie jetzt sind. Und trotz ihres Aussehens und ihrer Intelligenz sind sie immer noch mehr Krähe als Mensch. Sie brauchen mich, um nicht in ihren früheren Zustand zurückzufallen.«
»Aber Lord Corvis wird uns vollenden«, sagte Tante Mag mit loderndem Blick. »Das hat er versprochen.«
»Aber das ist doch grässlich, so viele Menschen zu töten.« Josie starrte Corvis an, der ungerührt seine Fingernägel betrachtete. Ihr fiel auf, wie lang und spitz sie waren – fast wie Klauen. »Ich würde Ihnen niemals verraten, wo die Amarant ist.«
Corvis stieß einen ungeduldigen Seufzer aus. »Ich glaube, du hast immer noch nicht verstanden, Josie: Wenn du dich weigerst, unterzeichnest du damit das Todesurteil deinesBruders.« Josie warf einen Blick auf Alfies bleiches Gesicht, während Corvis fortfuhr: »Glaub mir, früher oder später finde ich die Amarant ohnehin. Du kannst dafür sorgen, dass es früher passiert, und dabei eine Menge Schmerz und Leid verhindern. Meine Geduld ist nicht unendlich … und die meiner Damen ebenfalls nicht. Ich bin es leid zu
Weitere Kostenlose Bücher