Morton, Kate
ergab einfach keinen Sinn: Lucy, die liebe, zuverlässige Lucy, die
in all den Jahren, die sie schon auf Schloss Milderhurst arbeitete, niemals
auch nur einen Freund erwähnt hatte, geschweige denn mit einem Mann ausgegangen
war, wollte heiraten? Einfach so, aus heiterem Himmel? Und das in ihrem Alter?
Sie war mehrere Jahre älter als Saffy, ging bestimmt schon auf die vierzig zu.
Lucy trat
von einem Fuß auf den anderen, das Schweigen zog sich in die Länge, und Saffy
spürte, dass sie etwas sagen musste, doch sie brachte kein Wort heraus.
»Ich werde
heiraten!«, sagte Lucy noch einmal, diesmal langsamer und ein bisschen
zögernd, als müsste sie sich selbst noch an den Gedanken gewöhnen.
»Aber
Lucy, das sind ja großartige Neuigkeiten«, stieß Saffy schließlich hervor. »Und
wer ist der Glückliche? Wo hast du ihn kennengelernt?«
»Na ja«,
erwiderte Lucy errötend. »Wir haben uns hier in Milderhurst kennengelernt.«
»Ach?«
»Es ist
Harry Rogers. Ich heirate Harry Rogers. Er hat mir einen Antrag gemacht, und
ich habe ihn angenommen.«
Harry
Rogers. Der Name kam Saffy irgendwie bekannt vor, sie hatte das Gefühl, dass
sie den Mann kennen müsste, aber ihr fiel kein Gesicht zu dem Namen ein. Gott,
wie peinlich! Saffy spürte, wie ihre Wangen rot wurden, was sie zu überspielen
suchte, indem sie ein strahlendes Lächeln aufsetzte, in der Hoffnung, Lucy
würde es für einen Ausdruck ihrer Freude halten.
»Wir
kennen uns schon seit Jahren, schließlich kommt er regelmäßig hierher aufs
Schloss, aber wir gehen erst seit ein paar Monaten miteinander. Seit die
Standuhr im Frühjahr immer häufiger verrücktspielte.«
Harry
Rogers. Sie meinte doch sicher nicht den kleinen Uhrmacher mit dem struppigen
Bart? Der war weder gut aussehend noch galant, ja, nach allem, was Saffy
mitbekommen hatte, nicht einmal geistreich. Er war ziemlich gewöhnlich, nur
daran interessiert, mit Percy über die Geschichte des Schlosses und die
Funktionsweise von Uhrwerken zu plaudern. Sicher, er war freundlich, soweit
Saffy das beurteilen konnte, und Percy sprach stets wohlwollend über ihn (das
heißt, sie hatte wohlwollend über ihn gesprochen, bis Saffy sie ermahnt hatte,
Mr. Rogers würde ihr noch eines Tages den Kopf verdrehen, wenn sie nicht
aufpasste). Dennoch war er ganz und gar nicht der richtige Mann für Lucy mit
ihrem hübschen Gesicht und ansteckenden Lachen.
»Aber wie
ist es dazu gekommen?« Die Frage hatte sich Saffy aufgedrängt und war ihr
herausgerutscht, ehe sie sie hatte unterdrücken können. Aber Lucy schien gar
nicht beleidigt zu sein und antwortete spontan, vielleicht ein bisschen zu
hastig, dachte Saffy, als müsste sie die Worte selbst hören, um zu begreifen,
wie so etwas hatte passieren können.
»Er war
hier, um nach der Uhr zu sehen, und ich hatte gebeten, früher gehen zu dürfen,
weil es meiner Mutter doch so schlecht ging, und da sind wir uns an der Tür begegnet.
Er hat mir angeboten, mich im Auto nach Hause zu fahren, und ich habe das
Angebot angenommen. Da haben wir uns angefreundet, und dann, als meine Mutter
gestorben ist ... Na ja, da war er sehr nett zu mir. Er ist ein richtiger
Gentleman.«
Eine Weile
schwiegen sie, während sie die Szene in Gedanken vor sich sahen. Saffy, obwohl
überrascht, war auch neugierig. Das war die Schriftstellerin in ihr, dachte
sie: Sie versuchte sich vorzustellen, worüber die beiden sich in Mr. Rogers'
kleinem Auto unterhalten hatten und wie sich aus dem freundlichen Angebot,
Lucy im Auto mit ins Dorf zu nehmen, eine Liebesgeschichte entwickelt hatte.
»Und? Bist du glücklich?«
»O ja«,
sagte Lucy lächelnd. »Ja, ich bin glücklich.«
»Tja.«
Saffy zwang sich zu einem tapferen Lächeln. »Dann freue ich mich sehr für dich.
Und du musst ihn zum Tee mitbringen. Das muss gefeiert werden!«
»Nein,
nein ...« Lucy schüttelte den Kopf. »Nein. Das ist sehr nett von Ihnen, Miss
Saffy, aber ich glaube nicht, dass das klug wäre.«
»Aber warum
denn nicht?«, fragte Saffy, doch schon als sie die Worte aussprach, wusste sie
genau, warum es nicht klug wäre, und plötzlich machte es sie ganz verlegen,
dass sie keine bessere Gelegenheit abgewartet hatte, die Einladung auszusprechen.
Lucy war viel zu wohlerzogen, um eine offizielle Einladung zum Tee mit der
Herrschaft anzunehmen. Vor allem mit Percy.
»Wir
wollen es nicht an die große Glocke hängen«, sagte Lucy. »Wir sind ja beide
nicht mehr ganz jung. Es wird keine lange Verlobungszeit geben, es
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