Morton, Kate
führt zu
nichts, lange zu warten, wo auch noch Krieg ist.«
»Aber in
seinem Alter wird Harry doch sicher nicht...«
»Nein,
nein, er muss nicht mehr an die Front. Aber er wird natürlich seinen Beitrag
leisten, bei Mr. Potts' Leuten. Er war im ersten Krieg, wissen Sie, in
Passchendaele. Zusammen mit meinem Bruder Michael.«
Lucys
Gesicht hatte einen anderen Ausdruck angenommen, etwas wie Stolz lag darin und
zaghafte Freude, vermischt mit ein bisschen Befangenheit. Natürlich lag es
daran, dass alles noch so neu war, dass sich ihr Leben erst kürzlich geändert
hatte. Lucy musste sich selbst noch an die neue Rolle gewöhnen, daran, dass
sie eine Frau war, die bald heiraten würde, die Teil eines Paars war, dessen
männlicher Teil mit seinem Ansehen auf ihr eigenes Ansehen abfärben würde.
Saffy freute sich für Lucy; sie konnte sich niemanden vorstellen, der es so
sehr verdient hatte, glücklich zu sein.
»Ja, das
klingt alles sehr vernünftig«, sagte sie. »Und du musst dir natürlich vor und
nach der Hochzeit ein paar Tage freinehmen. Vielleicht könnte ich ...«
»Eigentlich«,
Lucy presste die Lippen zusammen und konzentrierte sich auf einen Punkt über
Saffys Schulter. »Eigentlich wollte ich genau darüber mit Ihnen sprechen.«
»Ach so?«
»Ja.« Lucy
lächelte, aber nicht entspannt und glücklich, dann verschwand das Lächeln, und
sie seufzte. »Es ist mir sehr unangenehm, müssen Sie wissen, aber Harry hätte
es lieber, das heißt, er findet, wenn wir erst einmal verheiratet sind, sollte
ich besser zu Hause bleiben, mich um das Haus kümmern und meinen Beitrag an der
Heimatfront leisten.« Vielleicht spürte Lucy ebenso wie Saffy, dass dies einer
näheren Erklärung bedurfte, denn sie fügte hastig hinzu: »Und für den Fall,
dass wir mit Kindern gesegnet werden ...«
Da begriff
Saffy; es war, als wäre ein Schleier gelüftet worden. Alles, was zuvor
verschwommen gewesen war, lag plötzlich klar und deutlich vor ihr: Lucy war
genauso wenig in Harry Rogers verliebt wie Saffy, aber sie sehnte sich nach
einem Kind. Saffy konnte sich nur wundern, dass ihr das nicht gleich klar geworden
war, jetzt, wo es so offensichtlich war. Ja, es war die einzige Erklärung.
Harry bot ihr die letzte Chance, und welche Frau in Lucys Lage würde nicht
dieselbe Entscheidung treffen? Saffy befühlte ihr Medaillon, fuhr mit dem
Daumen über das Schloss. Sie empfand eine tiefe Seelenverwandtschaft mit Lucy,
das Gefühl schwesterlicher Zuneigung war so stark, dass sie Lucy am liebsten
alles erzählt, ihr erklärt hätte, dass sie genau wusste, was sie empfand.
Sie
öffnete den Mund, aber sie brachte kein Wort heraus. Sie lächelte schwach,
blinzelte und stellte verwundert fest, dass ihre Augen sich mit Tränen gefüllt
hatten. Lucy hatte sich abgewandt und suchte in ihren Taschen nach etwas, und
nachdem Saffy ihre Fassung einigermaßen wiedergewonnen hatte, warf sie einen
verstohlenen Blick aus dem Fenster, wo ein einzelner schwarzer Vogel sich von
einem unsichtbaren warmen Luftstrom treiben ließ.
Wieder
musste sie blinzeln, und alles verschwamm vor ihren Augen. Wie lächerlich,
jetzt zu weinen. Das lag alles am Krieg, an der Ungewissheit, an diesen
elenden, vermaledeiten Fenstern.
»Sie
werden mir auch fehlen, Miss Saffy. Sie alle. Ich habe mehr als mein halbes
Leben hier in Schloss Milderhurst verbracht, und ich habe immer geglaubt, dass
ich bis an mein Lebensende hierbleiben würde.« Ein kurzes Zögern. »Oder klingt
das morbid?«
»Furchtbar
morbid.« Saffy lächelte mit Tränen in den Augen und hielt das Medaillon
umklammert. Lucy würde ihnen schrecklich fehlen, aber das war nicht der einzige
Grund, warum Saffy weinte. Sie öffnete das Medaillon schon lange nicht mehr,
sie brauchte das Foto nicht, um sein Gesicht zu sehen. Den jungen Mann, in den
sie verliebt gewesen war, der in sie verliebt gewesen war. Die Zukunft hatte
vor ihnen gelegen, alles war möglich gewesen, alles. Bis ihr alles genommen
worden war ...
Aber Lucy
wusste nichts davon, und wenn doch, wenn sie im Laufe der Jahre das eine oder
andere aufgeschnappt und für sich zu einem traurigen Bild zusammengesetzt
hatte, nun, dann war sie viel zu diskret, um jemals ein Wort darüber zu
verlieren. Selbst jetzt. »Die Hochzeit wird im April sein«, sagte Lucy leise
und reichte Saffy einen Umschlag, den sie aus ihrer Tasche gezogen hatte.
Vermutlich das Kündigungsschreiben, dachte Saffy. »Im Frühling. In der
Dorfkirche, nur eine einfache Hochzeit.
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