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Morton, Kate

Morton, Kate

Titel: Morton, Kate Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Die fernen Stunden
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vergessen hatte.
Solche Umstände um seine Haare zu machen war vielleicht das Richtige für Saffy,
eine Romantikerin, die sich an ihre Träume klammerte und nicht einsehen
wollte, dass ihr edler Ritter nicht kommen würde, dass ihr Platz in Schloss
Milderhurst war und immer sein würde; aber für Percy war es einfach lächerlich.
Percy, die Pragmatikerin, Percy, die Planerin, Percy, die Beschützerin.
    Sie hätte
sich schon vor Jahren das Haar stutzen lassen sollen. Der neue Haarschnitt war
adrett und pflegeleicht, und auch wenn sie nicht behaupten konnte, dass sie
damit besser aussah, so sah sie zumindest anders aus. Mit jedem Schnipp wurde
etwas in ihr befreit, ein alter Gedanke, an den sie sich geklammert hatte, ohne
es zu wissen. Als die junge Friseurin schließlich die Schere weglegte und, ein
bisschen fahl im Gesicht, verkündete: »Fertig, meine Liebe, sieht es nicht
wunderbar aus?«, hatte sie daher den anmaßenden Tonfall ignoriert und zu ihrer
eigenen Überraschung geantwortet: »Ja, es sieht wunderbar aus.«
     
    Meredith
wartete seit Stunden, erst hatte sie gestanden, dann gesessen, und jetzt lag
sie halb auf dem Holzboden des Gemeindesaals. Als die Zeit verstrich, der
Strom der Bauern und Landfrauen nachließ, nur noch vereinzelt Leute aus dem
Dorf kamen, um die Kinder abzuholen, und es allmählich dunkel wurde, fragte
Meredith sich bang, welch schreckliches Schicksal sie wohl erwartete, wenn
niemand sie mitnahm, wenn niemand sie wollte. Würde sie ganz allein die
nächsten Wochen hier in diesem zugigen Saal verbringen? Allein der Gedanke ließ
ihre Brille beschlagen, sodass alles vor ihren Augen verschwamm.
    Und genau
in diesem Augenblick kam sie. Stürmte
herein wie ein strahlender Engel, wie etwas aus einem Märchen, und rettete
Meredith von dem kalten, harten Boden. Als wüsste sie, weil sie magische Kräfte
besaß oder einen sechsten Sinn - etwas, was die Wissenschaft noch würde
erklären müssen -, dass sie gebraucht wurde.
    Meredith
bekam nicht mit, wie Juniper hereinkam, sie war zu sehr damit beschäftigt, ihre
Brille an ihrem Rocksaum zu polieren, aber sie spürte ein Knistern in der Luft
und nahm das unnatürliche Schweigen wahr, das sich über die eben noch
schnatternden Frauen legte.
    »Miss
Juniper«, sagte eine von ihnen, als Meredith sich ihre Brille wieder aufsetzte
und zu dem Tisch mit den Erfrischungen hinüberschaute. »Was für eine
Überraschung. Was können wir für Sie tun? Suchen Sie Miss Blythe? Denn wir
haben sie seltsamerweise seit heute Mittag nicht mehr gesehen ...«
    »Ich bin
gekommen, um meine Evakuierte abzuholen«, fiel das junge Mädchen, das Miss
Juniper sein musste, der Frau mit einer abwehrenden Handbewegung ins Wort.
»Bleiben Sie nur sitzen, ich habe sie schon gesehen.«
    Dann
durchquerte sie den Saal, vorbei an den Kindern in der ersten Reihe, und
Meredith blinzelte und schaute hinter sich, aber hinter ihr war niemand mehr.
Als sie sich wieder umdrehte, stand das strahlende Wesen direkt vor ihr.
»Fertig?«, fragte sie. Lässig, leichthin, als wären sie alte Freundinnen und
als wäre dies ein lange geplanter Besuch.
     
    Später,
nachdem Percy stundenlang im Schneidersitz auf einem großen Stein am Bach
gesessen und aus allem, was ihr in die Finger kam, Bötchen gebastelt hatte,
ging sie zum Gemeindehaus zurück, um ihr Fahrrad zu holen. Nach dem warmen Tag
war es zum Abend hin stark abgekühlt, und als Percy sich auf den Weg zum
Schloss machte, hatte die Abenddämmerung bereits die Hügel verschattet.
    Die
Verzweiflung hatte Percys Gedanken verknäuelt, und während sie auf dem Fahrrad
strampelte, versuchte sie, sie zu entwirren. Die Verlobung war ein Schock, aber
was sie am meisten traf, war das falsche Spiel, das die beiden gespielt hatten.
Die ganze Zeit - denn es musste eine Zeit der Werbung gegeben haben, die
schließlich zu der Verlobung geführt hatte - hatten Harry und Lucy sich
geradezu vor ihren Augen getroffen. Percy fühlte sich betrogen. Zweifach
betrogen, als Arbeitgeberin und — als Geliebte. Der Verrat brannte wie
glühendes Eisen in ihrer Brust. Sie hätte schreien mögen, sich das Gesicht
zerkratzen, den beiden das Gesicht zerkratzen, ihnen genauso wehtun, wie sie
ihr wehgetan hatten. Aus voller Kehle schreien, bis ihr die Stimme versagte,
sich schlagen lassen, bis sie keinen Schmerz mehr empfand, die Augen schließen,
um sie nie wieder zu öffnen.
    Aber sie
würde nichts dergleichen tun.
    So verhielt
eine Percy Blythe sich

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