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Morton, Kate

Morton, Kate

Titel: Morton, Kate Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Die fernen Stunden
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Einzige. Vergessen wir die Bomben, ich brauche ein gutes Tonikum,
nachdem ich mich mit all den Fenstern abgeplagt habe.«
    »Wissen
Sie was?«, sagte Lucy und füllte ihre Tassen. »Ich habe Ihrem Vater schon das
Essen gebracht, da könnte ich Ihnen doch ein bisschen helfen.«
    »Ach,
Lucy, du bist ein Schatz! Würdest du das wirklich tun? Ich könnte heulen vor
Dankbarkeit!«
    »Das ist
wirklich nicht nötig.« Lucy unterdrückte ein erfreutes Lächeln. »Ich habe bei
mir zu Hause schon alle Fenster fertig, und ich habe festgestellt, dass ich
ein Händchen im Umgang mit Leim habe. Soll ich kleben, während Sie die
Streifen zuschneiden?«
    »Perfekt!«
Saffy warf das Küchentuch auf einen Stuhl. Ihre Hände waren immer noch klebrig,
aber das machte nichts. Als Lucy ihr eine Tasse reichte, nahm sie sie dankbar
entgegen. Einen Moment lang standen sie einträchtig schweigend da, während
sie den ersten Schluck genossen. Es war ihnen zu einer Art Gewohnheit geworden,
ihren Tee gemeinsam einzunehmen.
    Ohne viel
Brimborium. Sie unterbrachen dafür nicht ihre Arbeit und deckten auch nicht
den Tisch mit dem guten Porzellan; sie sorgten einfach nur dafür, dass sie zum
rechten Zeitpunkt im selben Raum zu tun hatten. Percy wäre entsetzt, wenn sie
davon wüsste, sie würde die Brauen zusammenziehen und böse dreinblicken und die
Lippen schürzen und Dinge sagen wie: »Das gehört sich nicht.« oder »Es gibt
gewisse Regeln, an die man sich halten muss.« Aber Saffy mochte Lucy — in gewisser
Weise waren sie Freundinnen, und gemeinsam Tee zu trinken konnte doch wirklich
niemandem schaden. Außerdem, was Percy nicht wusste, konnte sie auch nicht
ärgern.
    »Sag mal,
Lucy«, unterbrach Saffy das Schweigen und deutete damit an, dass sie sich
wieder an die Arbeit machen mussten, »wie geht es denn mit dem Haus voran?«
    »Sehr gut,
Miss Saffy.«
    »Fühlst du
dich denn auch nicht einsam dort?« Lucy hatte immer mit ihrer Mutter in dem
kleinen Haus am Dorfrand gewohnt. Saffy konnte sich gut vorstellen, dass der
Tod der alten Frau eine große Lücke in Lucys Leben gerissen hatte.
    »Ich
beschäftige mich, so gut ich kann.« Lucy hatte ihre Teetasse auf dem Sims
abgestellt und trug mit dem Pinsel den Leim auf die Fensterscheibe auf. Einen
Moment lang meinte Saffy, einen Anflug von Traurigkeit im Gesicht der Haushälterin
zu entdecken, als wäre Lucy drauf und dran gewesen, ihr etwas anzuvertrauen,
was sie tief bewegte, habe sich dann jedoch dagegen entschieden.
    »Was ist
los, Lucy?«
    »Ach,
nichts.« Sie zögerte. »Nur, meine Mutter, sie fehlt mir sehr ...«
    »Selbstverständlich.«
Lucy war stets sehr diskret (übertrieben diskret, wie Saffy manchmal fand, wenn
die Neugier sie übermannte), aber über die Jahre hatte Saffy genug erfahren,
um zu wissen, dass Mrs. Middleton keine einfache Person gewesen war. »Aber?«
    »Aber ich
bin auch gern allein.« Sie warf Saffy einen Blick von der Seite zu. »Oder
klingt das unschicklich?«
    »Ganz und
gar nicht«, erwiderte Saffy lächelnd. In Wirklichkeit fand Saffy, dass es
wunderbar klang. Sie stellte sich ihre eigene kleine Traumwohnung in London
vor, dann verscheuchte sie das Bild. An einem Tag, wo sie alle Hände voll zu
tun hatte, sollte sie sich lieber nicht ihren Tagträumen hingeben. Sie setzte
sich auf den Boden und begann, den Stoff in Streifen zu schneiden. »Oben ist
alles in Ordnung, Lucy?«
    »Das
Zimmer sieht hübsch aus. Ich habe es gelüftet und das Bett frisch bezogen, und
außerdem — ich hoffe, das ist in Ihrem Sinne —«, sie glättete einen
Stoffstreifen, »habe ich die chinesische Vase Ihrer Großmutter weggeräumt. Ich
verstehe gar nicht, wie ich die übersehen konnte, als wir die wertvollen Sachen
letzte Woche eingepackt und verstaut haben. Jetzt ist sie in Sicherheit, ich
habe sie zu den anderen Sachen ins Archiv gepackt.«
    »Du meine
Güte.« Saffy sah Lucy mit großen Augen an. »Du glaubst doch nicht etwa, wir
bekommen so einen kleinen Satansbraten, der alles kaputt macht und
durcheinanderbringt?«
    »Nein,
nein. Aber Vorsicht ist die Mutter der Porzellankiste.«
    »Allerdings.«
Saffy nickte, als Lucy den nächsten Stoffstreifen entgegennahm. »Sehr
umsichtig von dir, Lucy. Und gewiss hast du recht. Ich hätte selbst daran
denken sollen. Percy wird sich freuen.« Sie seufzte. »Trotzdem sollten wir
vielleicht einen kleinen Blumenstrauß auf den Nachttisch stellen. Um das arme
Kind ein bisschen aufzumuntern. Vielleicht in einer Glasvase aus der

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