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Morton, Kate

Morton, Kate

Titel: Morton, Kate Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Die fernen Stunden
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Manöver mit meinem Regiment. Ich habe erst davon erfahren, als der
Brief von meiner Mutter kam. Aber da war es schon zu spät. Da wurde Tom schon
als Deserteur gesucht.«
    »Das tut
mir leid.«
    »Er steht
bis heute auf der Liste.« Er schaute mich an, und es tat mir weh zu sehen, dass
er Tränen in den Augen hatte. Er rückte seine Brille zurecht. »Ich frage jedes
Jahr nach, weil man mir gesagt hat, dass manche erst nach Jahrzehnten wieder
auftauchen. Erscheinen plötzlich in der Wachstube, so klein mit Hut, tischen
denen eine wilde Geschichte auf und hoffen auf die Gnade des Diensthabenden.«
Er hob eine Hand und ließ sie hilflos wieder auf sein Knie fallen. »Ich frage
nur nach, weil ich in meiner Verzweiflung nicht weiß, was ich sonst tun soll.
Tief in meinem Innersten weiß ich, dass Tom nie in irgendeiner Wachstube
auftauchen wird.« Er bemerkte meine Betroffenheit und fügte hinzu: »Unehrenhaft
aus der Armee entlassen.«
    Hinter uns
ertönten Stimmen, und als ich mich umdrehte, sah ich, wie ein junger Mann einer
alten Frau durch die Tür in den Garten half. Die Frau lachte über etwas, das er
gesagt hatte, dann gingen sie langsam auf ein Rosenbeet zu.
    Theo hatte
die beiden ebenfalls gesehen und senkte die Stimme. »Tom war ein ehrenhafter Mann.« Er brachte die Worte nur mit Mühe heraus,
die Lippen zusammengepresst vor Anstrengung, seine Gefühle zu beherrschen, und
ich spürte, wie wichtig es ihm war, dass ich nur das Beste von seinem Bruder
dachte. »Er wäre niemals desertiert. Nie. Das habe ich denen von der
Militärpolizei gesagt, aber die wollten nicht auf mich hören. Meiner Mutter
hat es das Herz gebrochen. Die Schande, die Sorge und die Ungewissheit, was
wirklich mit ihm passiert war. Ob er irgendwo da draußen war, einsam und
verloren. Ob ihm etwas zugestoßen war, sodass er vergessen hatte, wer er war
und wo er hingehörte ...« Er brach ab und rieb sich die Stirn, als machte ihn
das alles verlegen. Ich begriff, dass das schreckliche Theorien waren, die ihn
seit Jahrzehnten peinigten. »Wie auch immer«, sagte er. »Sie ist nie darüber
hinweggekommen. Er war ihr Liebling, auch wenn sie das nie zugegeben hätte.
Aber das brauchte sie auch nicht, denn er war jedermanns Liebling.«
    Eine Weile
saßen wir schweigend nebeneinander, und ich beobachtete zwei Krähen, die über
uns kreisten. Der junge Mann und die alte Frau, die die Rosen bewundert hatten,
näherten sich. Ich wartete, bis sie sich wieder entfernten und zum Ufer
hinuntergingen. Dann sagte ich: »Warum wollten die von der Militärpolizei nicht
auf Sie hören? Warum waren die sich so sicher, dass Tom desertiert war?«
    »Es gab
einen Brief.« Ein Nerv an seinem Kinn zuckte. »Er kam Anfang 1942, ein paar Monate nach Toms Verschwinden. Nur ein paar Sätze
auf der Maschine geschrieben. Er habe eine Frau kennengelernt und sei mit ihr
durchgebrannt, um sie zu heiraten. Er halte sich vorerst versteckt, würde aber
später Kontakt zu uns aufnehmen. Nachdem die den Brief gesehen hatten, haben
sie sich nicht mehr für Tom und auch nicht mehr für uns interessiert. Es war
schließlich Krieg. Sie hatten keine Zeit, nach einem Kerl zu forschen, der die Nation
verraten hatte.«
    Sein
Schmerz war selbst nach fünfzig Jahren noch deutlich spürbar. Zu erleben, dass
ein geliebter Mensch verschwindet und niemand einem hilft, nach ihm zu suchen.
Und dennoch. In Milderhurst hatte man mir erzählt, dass Thomas Cavill nicht zu
dem Abendessen auf dem Schloss erschienen war, weil er mit einer anderen Frau
durchgebrannt war. Waren es lediglich Familienstolz und Loyalität, die Theo zu
der Überzeugung brachten, die Geschichte sei erlogen? »Sie glauben also nicht,
was in dem Brief stand?«
    »Ich habe
es nicht eine Sekunde lang geglaubt«, erwiderte er vehement. »Es stimmt, dass
er eine Frau kennengelernt und sich verliebt hatte. Das hat er mir selbst
erzählt, in langen Briefen, in denen er von ihr berichtete — wie schön sie war,
wie sie ihn mit der Welt versöhnte, dass er sie heiraten wollte. Aber er hatte
keineswegs vor durchzubrennen — er konnte es gar nicht erwarten, sie uns
vorzustellen.«
    »Aber Sie
haben sie nie kennengelernt?«
    Er
schüttelte den Kopf. »Keiner von uns hat sie kennengelernt. Es hatte etwas mit
ihrer Familie zu tun; dass er es geheim halten wollte, bis sie es denen
mitgeteilt hatten. Ich hatte das Gefühl, dass sie aus ziemlich gutem Haus
stammte.«
    Mein Herz
hatte angefangen schneller zu schlagen, als mir aufging, dass

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