Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Morton, Kate

Morton, Kate

Titel: Morton, Kate Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Die fernen Stunden
Vom Netzwerk:
ziehen und seine Pflicht zu erfüllen, obwohl
ihm manchmal vor Ungeduld nachts die Beine wehtaten, so wünschte er sich in
diesem Augenblick nichts sehnlicher, als die Zeit anzuhalten und sich für
immer in diesem Teich treiben zu lassen ...
    »Wie ist
das Wasser?« Die Stimme ließ ihn zusammenzucken. Die vollkommene Stille
zerbrach wie eine goldene Eierschale.
    Später,
immer wenn er an ihre erste Begegnung zurückdachte, sollte er sich am
deutlichsten an ihre Augen erinnern. Und an die Art, wie sie sich bewegte — wie
ihr Haar lang und wild über die Schultern hing, an die Wölbung ihrer kleinen
Brüste, die Form ihrer Beine, o Gott, diese Beine. Aber vor allem war es das
Funkeln in ihren Augen, ihren Katzenaugen. Augen, die Dinge sahen und dachten,
die ihnen eigentlich verschlossen sein sollten. In den langen Tagen und
Nächten, die noch kommen sollten, und ganz am Ende sah er ihre Augen, als er
die seinen schloss.
    Sie saß
auf der Schaukel, die nackten Füße auf dem Boden, und beobachtete ihn. Ein
Mädchen - eine junge Frau? Er war sich nicht sicher. Sie trug ein schlichtes
weißes Sommerkleid und schaute ihm zu, wie er sich rücklings im Wasser treiben
ließ. Er suchte nach einer klugen Entgegnung, aber etwas an ihrem
Gesichtsausdruck hemmte ihn, und alles, was er herausbrachte, war: »Warm.
Perfekt. Blau.« Ihre Augen waren blau und mandelförmig, sie standen ein
bisschen zu weit auseinander, und sie weiteten sich kaum merklich, als er
diese drei Worte aussprach. Zweifellos fragte sie sich, auf was für einen
Einfaltspinsel sie da gestoßen war, der die Frechheit besaß, in ihrem Pool zu
baden.
    Verlegen
schwamm er ein paar Züge, wartete darauf, dass sie ihn fragte, wer er war, was
er dort zu suchen hatte, wie er dazu kam, ihren Pool zu benutzen, aber sie
fragte nichts dergleichen, sondern stieß sich nur sanft ab, sodass die Schaukel
langsam über den Rand des Teichs schwang und wieder zurück. Darum bemüht, als
ein Mann zu erscheinen, der mehr als drei Worte beherrschte, beantwortete er
die Fragen, die sie nicht gestellt hatte: »Ich bin Thomas«, sagte er. »Thomas
Cavill. Verzeihen Sie, dass ich mir die Freiheit genommen habe, aber es ist so
heiß. Ich konnte einfach nicht widerstehen.« Er lächelte sie an, und sie lehnte
den Kopf an das Seil. Er überlegte, ob sie ebenfalls unbefugt in diesen Garten
eingedrungen war. Es lag etwas in ihrem Blick, eine Art Unstimmigkeit, als
würden sie und die Umgebung nicht zusammenpassen. Er fragte sich beiläufig, wo
sie wohl hinpassen würde, fand jedoch keine Antwort.
    Wortlos
sprang sie von der Schaukel und ließ den Sitz ausschwingen. Ihm fiel auf, dass
sie ziemlich groß war. Sie setzte sich auf den Teichrand, zog die Knie an die
Brust, sodass das Kleid ein Stück hochrutschte, tauchte die Zehen ins Wasser
und schaute über ihre Knie hinweg den Wellen nach, die von ihr wegtrieben.
    Tom war
empört. Er war unbefugt in den Garten eingedrungen und in den Teich
gesprungen, aber er hatte keinen Schaden angerichtet, nichts getan, womit er es
verdient hatte, dass sie ihn mit Verachtung strafte. Sie benahm sich, als wäre
er gar nicht da, dabei saß sie sozusagen neben ihm, mit einem Gesichtsausdruck,
als wäre sie völlig in Gedanken vertieft. Wahrscheinlich spielte sie irgendein
Spiel mit ihm, etwas, was junge Mädchen gern taten, um die Männer zu verwirren
und um sich interessanter zu machen. Welchen anderen Grund hätte sie haben
sollen, ihn zu ignorieren? Es sei denn, sie war schüchtern. Vielleicht war es
das; sie war jung, gut möglich, dass seine Frechheit, seine Männlichkeit, seine
Beinahe-Nacktheit sie peinlich berührten. Das war ihm unangenehm, so etwas
hatte er nicht beabsichtigt, er hatte sich nur ein bisschen im Wasser abkühlen
wollen. Bemüht, so lässig und freundlich wie möglich zu klingen, sagte er:
»Hören Sie. Es tut mir leid, dass ich Sie so überrascht habe, ich will Ihnen
nichts tun. Mein Name ist Thomas Cavill, ich bin gekommen, um ...«
    »Ja«,
sagte sie, »ich habe Sie verstanden.« Sie sah ihn an, als wäre er ein Insekt.
Müde, leicht angewidert, ansonsten ungerührt. »Sie brauchen wirklich nicht
alles doppelt und dreifach zu sagen.«
    »Also,
Moment mal. Ich wollte Ihnen nur versichern, dass ...«
    Aber er
ließ seinen Satz unbeendet. Erstens war nicht zu übersehen, dass diese seltsame
Person ihm gar nicht mehr zuhörte, und zweitens wurde er plötzlich abgelenkt.
Sie war aufgestanden und zog sich gerade das Kleid aus, unter dem

Weitere Kostenlose Bücher