Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Morton, Kate

Morton, Kate

Titel: Morton, Kate Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Die fernen Stunden
Vom Netzwerk:
sie einen
Badeanzug trug. Einfach so. Kein Blick in seine Richtung, kein Niederschlagen
der Lider, kein Kichern angesichts ihrer eigenen Kühnheit. Sie warf das Kleid
hinter sich, wo es als kleiner Stoffhaufen liegen blieb, reckte sich wie eine
Katze in der Sonne, gähnte ein bisschen, ohne sich, wie es für Frauen typisch
war, züchtig eine Hand vor den Mund zu halten oder sich zu entschuldigen oder
zu erröten.
    Dann
sprang sie, ohne zu zögern, vom Teichrand ins Wasser. Als sie eintauchte,
kletterte Tom hastig hinaus. Ihre Kühnheit, wenn es denn Kühnheit war, machte
ihn nervös. Und die Nervosität ängstigte ihn. Er fühlte sich sonderbar
überwältigt.
    Tom hatte
natürlich kein Handtuch und auch nichts anderes, womit er sich schnell genug
hätte abtrocknen können, um sich anzuziehen, und so blieb er einfach in der
Sonne stehen, versuchte so zu tun, als wäre er vollkommen entspannt. Das war
gar nicht so einfach. Er war alles andere als entspannt, und jetzt wusste er,
wie es seinen Freunden ging, die von einem Fuß auf den anderen traten und
herumstotterten, sobald sie eine hübsche Frau erblickten. Eine hübsche Frau,
die aus dem Wasser aufgetaucht war und sich jetzt träge auf dem Rücken treiben
ließ, das lange Haar wie Seetang um ihr Gesicht, unbekümmert, ungerührt,
scheinbar ohne ihn wahrzunehmen.
    Bemüht,
seine Würde wiederzufinden, zog Tom sich seine Hose über die nasse Unterhose.
Er versuchte, Autorität zu demonstrieren, musste aber dabei höllisch
aufpassen, dass er vor lauter Nervosität nicht großspurig wirkte. Er war
Lehrer, Herrgott noch mal, er war ein Mann, der bald Soldat sein würde, das
konnte doch nicht so schwierig sein. Aber Würde auszustrahlen war nicht leicht,
wenn man barfuß und halb nackt in einem fremden Garten stand. Was er vorhin
über Privateigentum und Gesetze gedacht hatte, erschien ihm jetzt töricht, ja
als Kinderei. Er schluckte, dann sagte er so ruhig wie möglich: »Mein Name ist
Thomas Cavill. Ich bin Lehrer. Ich bin hier, um nach einer meiner Schülerinnen
zu sehen, die, soweit ich weiß, bei Ihnen einquartiert wurde.« Er war
tropfnass, ein warmes Rinnsal lief ihm am Bauch hinunter, und er wand sich
innerlich, als er sagte: »Ich bin ihr Lehrer.« Was er natürlich bereits erwähnt
hatte.
    Sie hatte
sich im Wasser umgedreht und beobachtete ihn jetzt von der Mitte des Teichs
aus, als würde sie sich im Geist Notizen machen. Dann schwamm sie ein paar Züge
unter Wasser wie ein silbriger Fisch, tauchte am Rand wieder auf, legte die
Unterarme auf die Randsteine, verschränkte die Hände und legte das Kinn darauf
ab. »Meredith.«
    »Ja.« Er
atmete erleichtert auf. Endlich. »Ja, Meredith Baker. Ich bin hergekommen, um
zu sehen, wie es ihr geht. Um mich zu vergewissern, dass alles in Ordnung ist.«
    Diese weit
auseinanderstehenden Augen schauten ihn an, unmöglich, die Gefühle dieses
Wesens zu erraten. Dann lächelte sie, was ihrem Gesicht einen überirdischen
Ausdruck verlieh, und er holte tief Luft, als sie sagte: »Da fragen Sie sie am
besten selbst. Sie wird gleich hier sein. Meine Schwester nimmt gerade ihre
Maße, um ihr ein paar neue Kleider zu nähen.«
    »Gut. Sehr
gut.« Zielstrebigkeit, das war es, was er ausstrahlen musste, er durfte sich
seine Scham nicht anmerken lassen. Also zog er sich sein Hemd über, setzte sich
auf einen Liegestuhl und nahm den Ordner mit der Kontrollliste aus seiner
Ledertasche. Er tat, als würde ihn das, was auf seinem Formular stand, brennend
interessieren, obwohl er es mittlerweile auswendig aufsagen konnte. Aber es
konnte nichts schaden, alles noch einmal durchzugehen, denn wenn er den Eltern
seiner Schüler in London gegenübertrat, wollte er in der Lage sein, ihre Fragen
mit gutem Gewissen zu beantworten. Die meisten seiner Schüler waren im Dorf
untergebracht, zwei beim Vikar, einer auf einem Bauernhof etwas außerhalb.
Meredith, dachte er, als er die Schornsteine jenseits der Bäume betrachtete,
hatte es am weitesten weg verschlagen. Laut Adresse auf seiner Liste in ein
Schloss. Er hoffte, dass er Gelegenheit bekommen würde, es von innen zu sehen,
oder besser noch, dass man ihm erlauben würde, das Gemäuer ein wenig zu erkunden.
Bisher waren die Frauen im Dorf sehr gastfreundlich gewesen, hatten ihn zu Tee
und Kuchen eingeladen und waren ängstlich darum bemüht, dass er einen guten
Eindruck von ihnen bekam.
    Er
riskierte noch einen Blick auf das Geschöpf im Teich und kam zu dem Schluss,
dass er hier kaum mit einer

Weitere Kostenlose Bücher