Morton, Kate
zu benutzen. Sie hat gesagt, dass sie es nicht mehr mit
ansehen kann, wie ich dich mit mir herumtrage wie einen nutzlosen
Briefbeschwerer, und dass es allmählich Zeit wird, dich aufzuschlagen und deine
wunderschönen Seiten zu füllen.
Sie sagt,
die Welt ist voller Geschichten und dass man, wenn man immer nur wartet, bis
die richtige vorbeikommt, am Ende mit leeren Seiten dasteht. Genau das ist
nämlich Schreiben: Was man sieht und denkt auf Papier festzuhalten. Zu spinnen
wie eine Spinne, nur eben mit Worten. Juniper hat mir diesen Füllfederhalter
geschenkt. Ich habe das Gefühl, dass er aus dem Turm stammt, und fürchte, dass
ihr Vater irgendwann danach suchen könnte, aber ich benutze ihn trotzdem. Es
ist ein wirklich großartiger Federhalter. Ich glaube, es ist tatsächlich
möglich, einen Federhalter zu lieben, was meinst du?
Juniper
hat mir vorgeschlagen, über mein Leben zu schreiben. Sie bittet mich immer, ihr
Geschichten über Mum und Dad, Ed und Rita und Mrs. Paul von nebenan zu
erzählen. Sie lacht immer sehr laut, es ist wie bei einer Flasche, die man
schüttelt, bevor man sie aufmacht, sodass es schäumt und spritzt. Erschreckend
irgendwie, aber auch schön. Ihr Lachen ist ganz anders, als man erwarten würde.
Sie ist so geschmeidig und anmutig, aber ihr Lachen ist heiser wie die Erde.
Doch es ist nicht nur das Lachen, das ich an ihr mag. Manchmal blickt sie auch
ganz finster drein, wenn ich ihr erzähle, was Rita sagt. Dann regt sie sich auf
und schimpft wie ein Rohrspatz.
Sie sagt,
ich hätte Glück - kannst du dir das vorstellen, dass jemand wie sie das über
mich sagt? — dass ich alles, was ich weiß, in der wirklichen Welt gelernt habe.
Sie sagt, sie hat alles nur aus Büchern gelernt. Für mich klingt das
himmlisch, aber offenbar ist es das nicht. Weißt du, dass sie nicht mehr in
London war, seit sie ganz klein war? Sie ist mit ihrer ganzen Familie
hingefahren, zur Premiere eines Theaterstücks nach einem Buch, das ihr Vater geschrieben
hat: Die wahre Geschichte vom Modermann. Als Juniper
das Buch erwähnt hat, da hat sie den Titel ausgesprochen, als müsste ich das
Buch kennen, und es war mir peinlich zuzugeben, dass ich es nicht kannte. Meine
Eltern sollen verflucht sein dafür, dass sie mir solche Dinge vorenthalten
haben! Sie war ziemlich verwundert, das habe ich gemerkt, aber sie hat es mir
nicht übel genommen. Sie hat verständnisvoll genickt und gesagt, es würde wohl
daran liegen, dass ich in der wirklichen Welt viel zu beschäftigt mit richtigen
Menschen war. Und dann hat sie so traurig dreingeschaut, wie sie es manchmal
tut, nachdenklich und ein bisschen verwirrt, als versuchte sie, ein
kompliziertes Problem zu lösen. Ich glaube, es ist derselbe Blick, der meine
Mutter so schrecklich auf die Palme bringt, wenn sie ihn bei mir entdeckt, der
Blick, der sie dazu bringt, den Finger zu schütteln und mich auszuschimpfen,
ich soll nicht in grauen Wolken schweben, sondern etwas Vernünftiges tun.
Dabei
liebe ich graue Wolken! Sie sind so viel abwechslungsreicher als der blaue
Himmel. Wenn sie Menschen wären, dann würde ich mich nur für sie interessieren.
Es ist viel spannender, sich vorzustellen, was hinter ihnen liegt, als in das
langweilige Blau zu starren.
Heute ist
der Himmel grau. Draußen vor dem Fenster sieht es aus, als hätte jemand eine
riesige graue Decke über das Schloss geworfen. Der Boden ist gefroren. Vom
Dachfenster aus schaut man auf einen ganz besonderen Platz. Einen von Junipers
Lieblingsplätzen. Ein Viereck, von Hecken eingefasst, mit kleinen Grabsteinen
zwischen den Brombeerranken, die alle schief stehen wie verfaulende Zähne.
Clementina Blythe i1Jahr alt
Grausam aus dem Leben gerissen Schlaf,
meine Kleine, schlaf
Cyrus Maximus Blythe 3 Jahre alt
Zu früh von uns gegangen
Emerson Blythe 1o Jahre alt
Von allen geliebt
Als ich zum ersten Mal dort war,
dachte ich, es wäre ein Kinderfriedhof aber Juniper hat mir erzählt, dass es
sich um Gräber von Haustieren handelt. Die Blythes lieben ihre Haustiere sehr,
vor allem Juniper. Sie hat sogar geweint, als sie mir von Emerson erzählt hat,
ihrem ersten Hund.
Brrr ...Es
ist eiskalt hier drinnen! Seit ich in Milderhurst bin, habe ich einen Haufen
gestrickte Socken geerbt. Saffy ist eine großartige Strickerin, aber sie kann
nicht zählen, und das hat zur Folge, dass ganz viele von den Socken, die sie
für die Soldaten strickt, so klein sind, dass ein großer Mann nur den dicken
Zeh
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