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Morton, Kate

Morton, Kate

Titel: Morton, Kate Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Die fernen Stunden
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Abkürzung von Edith.«
    Sie
strahlte mich an. »Edith. Was für ein hübscher Name. Es bedeutet >gesegnet
im Krieg< nicht wahr?«
    »Ich bin
mir nicht sicher«, antwortete ich verlegen.
    Percy
räusperte sich, woraufhin Saffy hastig fortfuhr: »Der Herr, der vor Ihnen da
war, war sehr gründlich, aber ...« Sie warf einen kurzen Blick zu Juniper
hinüber. »Na ja. Es ist doch viel leichter, sich mit einer Frau zu unterhalten,
nicht wahr, Percy?«
    »Ja.«
    Als ich
die beiden so miteinander erlebte, stellte ich fest, dass mein anfänglicher
Eindruck, sie wären seit meinem letzten Besuch gealtert, mich nicht getrogen
hatte. Als ich die Zwillinge kennenlernte, hatte ich den Eindruck, dass sie
gleich groß waren, obwohl Percy aufgrund ihrer autoritären Art größer wirkte.
Aber diesmal war nicht zu übersehen, dass Percy in Wahrheit kleiner war als Saffy.
Und auch gebrechlicher. Unwillkürlich musste ich an Dr. Jekyll und Mr. Hyde
denken, an die Szene, wo der gute Arzt seinem kleineren, grausamen Ich
begegnet.
    »Wir
setzen uns wohl besser«, sagte Percy säuerlich, »und trinken unseren Tee.«
    Wir
folgten ihrer Aufforderung, Saffy schenkte Tee ein und begann ein Gespräch mit
Percy über Bruno, den Hund - wo sie ihn gefunden habe, wie es ihm gehe, wie ihm
der Spaziergang bekommen sei. Sie bestritt das Gespräch fast ganz allein, und
ihren Worten konnte ich entnehmen, dass Bruno krank war und sie sich Sorgen um
ihn machten, große Sorgen. Beide sprachen mit gedämpfter Stimme, schauten
zwischendurch verstohlen zu der schlafenden Juniper hinüber. Mir fiel wieder
ein, wie Percy mir erzählt hatte, dass Bruno Junipers Hund war und sie immer
dafür sorgten, dass sie ein Haustier hatte, weil jeder Mensch etwas brauche,
das er lieben könne. Ich beobachtete Percy über meine Teetasse hinweg. Obwohl
sie so kratzbürstig war, hatte sie etwas an sich, das mich faszinierte. Ich hörte
ihre knappen Antworten auf Saffys Fragen, sah ihre verkniffenen Lippen, die
schlaffe Haut, die tiefen Furchen, die ihre finstere Miene über die Jahre in
ihr Gesicht gegraben hatte, und fragte mich, ob sie wohl auch sich selbst
gemeint hatte, als sie sagte, jeder brauche etwas, das er lieben könne. Ob
auch ihr jemand genommen worden war.
    Das alles
beschäftigte mich so sehr, dass ich, als Percy sich umdrehte und mich direkt
anschaute, befürchtete, sie hätte meine Gedanken gelesen. Ich blinzelte, und meine
Wangen glühten, und erst da wurde mir klar, dass Saffy mit mir redete und dass
Percy mich angeschaut hatte, weil ich nicht antwortete.
    »Verzeihung«,
sagte ich. »Ich war mit den Gedanken woanders.«
    »Ich hatte
nur nach Ihrer Fahrt hierher gefragt«, sagte Saffy. »Sie war hoffentlich
angenehm?« »O ja, danke.«
    »Ich weiß
noch, wie wir als Kinder nach London gefahren sind. Erinnerst du dich, Percy?«
Percy brummte zustimmend.
    Saffy war
auf einmal sehr lebhaft. »Daddy hat uns jedes Jahr mit nach London genommen.
Anfangs sind wir mit dem Zug gefahren, wir hatten unser eigenes kleines Abteil
zusammen mit unserer Kinderfrau, und als Daddy den Daimler gekauft hat, sind
wir mit dem Auto gefahren. Percy war immer lieber hier im Schloss, aber ich
fand es großartig in London. Dort passierte so viel, und dann all die feinen
Damen und eleganten Herren. Die Kleider, die Schuhe, die Parks.« Sie lächelte,
aber es wirkte traurig. »Ich dachte immer ...« Das Lächeln verschwand, und sie
schaute in ihre Teetasse. »Na ja. Ich nehme an, alle jungen Frauen haben ihre
Träume. Sind Sie verheiratet, Edith?« Die Frage kam so unerwartet, dass ich
erschrocken einatmete, woraufhin sie eine Hand hob. »Verzeihen Sie die Frage.
Wie taktlos von mir!«
    »Ganz und
gar nicht«, sagte ich. »Es macht mir nichts aus. Nein, ich bin nicht
verheiratet.«
    Sie
lächelte wieder. »Hab ich's mir gedacht. Ich hoffe, Sie halten mich nicht für
aufdringlich, aber mir ist aufgefallen, dass Sie keinen Ring tragen. Aber
vielleicht ist das bei jungen Leuten heutzutage nicht mehr üblich. Ich komme
nicht viel unter Leute.« Sie schaute fast unmerklich zu Percy hinüber. »Keine
von uns.« Ihre Hand bewegte sich nervös, bis sie an einem Medaillon Halt fand,
das sie an einer feinen Kette um den Hals trug. »Ich hätte einmal beinahe
geheiratet.«
    Percy
neben mir veränderte ihre Sitzposition. »Ich glaube kaum, dass Miss Burchill
sich für unsere traurigen Geschichten ...«
    »Du hast
recht«, sagte Saffy errötend. »Wie töricht von mir ...«
    »Ganz im
Gegenteil«,

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