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Morton, Kate

Morton, Kate

Titel: Morton, Kate Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Die fernen Stunden
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reinkriegt, aber für meine kleinen Füße sind sie genau richtig. Ich habe
mir drei Paar über jeden Fuß gezogen und drei einzelne über meine rechte Hand
und nur die linke Hand freigelassen, damit ich den Federhalter festhalten kann.
Was meine krakelige Schrift erklärt. Dafür bitte ich dich um Verzeihung, liebes
Tagebuch. Deine schönen Seiten haben etwas Besseres verdient.
    Ich sitze
also allein hier im Dachzimmer, während Juniper unten den Hühnern etwas
vorliest. Saffy ist davon überzeugt, dass sie dann besser legen. Juniper, die
alle Tiere liebt, sagt, es gibt nichts Klügeres und Beruhigenderes als eine
Henne. Und ich mag Eier sehr gern. Und so sind wir alle glücklich und
zufrieden. Ich werde mit dem Anfang anfangen und so schnell schreiben, wie ich
kann. Erstens bleiben so meine Finger warm ...
     
    Lautes Bellen von der Sorte, die
einem durch Mark und Bein geht, riss mich aus meiner Lektüre, und ich sprang
erschreckt auf.
    Ein Hund
erschien auf der Hügelkuppe, Junipers Lurcher. Zähnefletschend und knurrend
funkelte er mich an.
    »Guter
Junge«, sagte ich mit zitternder Stimme. »Ganz ruhig.«
    Während
ich noch überlegte, ob er sich beruhigen lassen würde, wenn ich ihn kraulte,
erschien das Ende eines Stocks im Schlamm, gefolgt von einem Paar derber
Schuhe. Percy Blythe stand vor mir.
    Ich hatte
ganz vergessen, wie hager und streng sie wirkte. Auf ihren Stock gestützt
blickte sie auf mich herab, ähnlich gekleidet wie bei unserer ersten
Begegnung: helle Hose und elegant geschnittene Bluse, was recht maskulin
gewirkt hätte, wäre da nicht ihre zierliche Gestalt gewesen und die winzige
Uhr, die an ihrem dünnen Handgelenk schlackerte.
    »Ach, Sie
sind das«, sagte sie, offenbar ebenso überrascht wie ich. »Sie sind zu früh.«
    »Es tut
mir schrecklich leid. Ich wollte Sie nicht belästigen, ich ...«
    Der Hund
begann wieder zu knurren, und sie machte eine ungehaltene Handbewegung. »Bruno!
Das reicht.« Er winselte und trottete zu ihr zurück. »Wir erwarten Sie morgen.«
    »Ja, ich
weiß. Um zehn Uhr.«
    »Es bleibt
also dabei?«
    Ich
nickte. »Ich bin heute aus London angekommen. Das Wetter war so schön, und ab
morgen soll es regnen, da wollte ich die Gelegenheit nutzen, ein bisschen
spazieren zu gehen und mir ein paar Notizen zu machen. Ich dachte, es würde Sie
nicht stören. Dann habe ich den Luftschutzbunker entdeckt und ... ich wollte
Ihnen keine Unannehmlichkeiten bereiten.«
    Irgendwann
während meiner Erklärung hatte ihr Interesse nachgelassen. »Nun ja«, sagte sie
ohne große Begeisterung, »wo Sie schon mal hier sind, können Sie auch gleich
zum Tee bleiben.«
     
    Ein Fauxpas und ein Coup
     
    Der gelbe Salon wirkte viel verwahrloster, als ich ihn in Er innerung hatte. Bei meinem
ersten Besuch hatte ich das Zimmer als gemütlich empfunden, ein Refugium voller
Leben und Licht in dem düsteren, steinernen Kasten. Diesmal war alles anders.
Vielleicht lag es am Herbst, am Fehlen der Sommersonne, an der kriechenden Kälte,
die dem Winter vorausgeht, denn es war nicht nur der äußere Anschein, der mich
verblüffte.
    Der Hund
hechelte heftig und ließ sich vor dem ramponierten Kaminschirm nieder. Auch er
war seit Mai gealtert, fiel mir auf, genau wie Percy Blythe und der Raum
selbst. Ich sah Saffy Blythe. Sie stand über eine edle Porzellanteekanne
gebeugt. »Endlich, Percy«, sagte sie, während sie versuchte, den Deckel wieder
auf die Kanne zu tun. »Ich dachte schon, wir müssten einen Suchtrupp
losschicken ... Oh!« Sie hatte sich aufgerichtet und sah mich neben ihrer
Schwester stehen. »Guten Tag.«
    »Edith
Burchill ist da«, sagte Percy trocken. »Sie ist zufällig vorbeigekommen. Ich
habe sie eingeladen, zum Tee zu bleiben.«
    »Wie
schön«, sagte Saffy, und als ich sah, wie ihre Miene sich aufhellte, wusste
ich, dass das nicht nur so dahingesagt war. »Ich wollte gerade einschenken,
aber der Deckel will nicht halten. Ich lege noch ein Gedeck auf ... Was für
eine angenehme Überraschung!«
    Juniper
saß am Fenster, genau wie bei meinem ersten Besuch im Mai, aber diesmal schlief
sie und schnarchte leise vor sich hin, den Kopf an die blassgrüne Lehne des
Ohrensessels geschmiegt. Unwillkürlich dachte ich an das Tagebuch meiner
Mutter, an die Beschreibung der bezaubernden jungen Frau, die sie so geliebt
hatte. Wie traurig es war, wie schrecklich, so zu enden.
    »Wir
freuen uns so, dass Sie kommen konnten, Miss Burchill«, sagte Saffy.
    »Bitte
nennen Sie mich Edie, das ist die

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