Morton, Kate
abwechselnd das rechte und das linke Auge und
beobachtete, wie das Laub der Bäume
vor dem Himmel zitterte, während Meredith ihr von den Fortschritten mit ihrem
Manuskript berichtete.
»Und wann
lässt du es mich lesen?«, fragte sie, nachdem ihre Freundin geendet hatte.
»Ich weiß
nicht. Es ist fast fertig. Aber ...«
»Aber
was?«
»Ich weiß nicht. Ich bin ein
bisschen ...« Juniper drehte sich zu ihr, hielt sich die Hand über die Augen
gegen das grelle Licht. »Ein bisschen was?« »Nervös.« »Nervös?«
»Was ist,
wenn du es furchtbar findest?« Meredith setzte sich auf.
Juniper
setzte sich ebenfalls auf und kreuzte die Beine. »Ich werde es nicht furchtbar
finden.«
»Aber wenn
doch, werde ich nie, nie wieder
etwas schreiben.«
»Tja, wenn
das so ist, mein Hühnchen«, sagte Juniper mit gespielter Strenge, Percy
nachahmend, »dann hörst du am besten sofort auf zu schreiben.«
»Weil du
jetzt schon glaubst, dass du es furchtbar finden wirst!« Verblüfft registrierte
Juniper die Verzweiflung in Merediths Augen. Sie hatte nur einen Scherz
gemacht, herumgealbert, so wie sie es immer taten. Sie hatte damit gerechnet,
dass Merry lachen und mit ebenso strenger Stimme etwas ähnlich Albernes von sich
geben würde. Verwirrt über Merrys Reaktion gab sie ihren gespielt strengen Ton
auf.
»So habe
ich das doch nicht gemeint«, sagte sie und legte ihre Fingerspitzen an das Herz
ihrer Freundin, sodass sie spürte, wie es schlug. »Schreib, was hier drin ist,
weil du es tun musst, weil es dir Freude bereitet, aber niemals, weil du möchtest,
dass jemand anderem gefällt, was du schreibst.«
»Nicht
einmal dir?«
»Mir am
allerwenigsten! Lieber Himmel, Merry, was in Gottes Namen weiß ich denn
schon?«
Meredith
lächelte, die Verzweiflung war verflogen, und plötzlich erzählte sie ganz
aufgeregt von einem Igel, der im Luftschutzraum ihrer Familie aufgetaucht war.
Juniper hörte ihr zu und lachte und schenkte der seltsamen Anspannung ihrer
Freundin nur wenig Aufmerksamkeit. Wenn sie ein anderer Mensch gewesen wäre,
jemand, dem erfundene Personen und Orte nicht so leicht zu Gebote standen, dem
die Worte nicht so willig zuflogen, hätte sie Merrys Ängstlichkeit besser
verstanden. Aber so war sie nicht, und nach einer Weile hörte sie ganz auf,
darüber nachzudenken. In London zu sein, frei zu sein, im Gras zu sitzen, die
Sonne im Rücken zu spüren, das war das Einzige, was zählte.
Als
Juniper ihre Zigarette ausdrückte, sah sie, dass ein Knopf an Merediths Bluse
sich geöffnet hatte. »Du verlierst ja deine Bluse, Hühnchen«, sagte sie. »Komm,
ich mach dir den Knopf zu.«
2
Tom
beschloss, zu Fuß nach Elephant and Castle zu gehen. Er mochte die U-Bahn
nicht; die Züge fuhren ihm zu tief unter der Erde, sie machten ihn nervös, sie
gaben ihm das Gefühl, eingeschlossen zu sein. Es kam ihm wie eine Ewigkeit vor,
dass er mit Joey auf dem Bahnsteig gestanden und auf das Getöse des
herandonnernden Zuges gewartet hatte. Er lockerte die Hände, die er neben
seinem Körper zu Fäusten geballt hatte, als er daran dachte, wie er das vor
Hitze und Aufregung verschwitzte Händchen gehalten hatte, als sie gemeinsam in
den Tunnel gespäht und auf das Auftauchen der zwei Lichter gewartet hatten,
auf den muffigen, staubigen Windstoß, der die Ankunft des Zuges ankündigte.
Tom blieb
noch einen Moment mit geschlossenen Augen stehen, während die Erinnerung
langsam verblasste. Als er seinen "Weg fortsetzen wollte, wäre er beinahe
über drei junge Frauen gestolpert, jünger als er, die sich in ihren adretten Arbeitskostümen
so selbstbewusst und forsch bewegten, dass er sich wie ein unbeholfener Tölpel
vorkam. Sie lächelten ihm zu, als er beiseitetrat, und reckten die Hände zum
Victory-Zeichen. Tom erwiderte ihr Lächeln, ein bisschen zu steif, ein bisschen
zu spät, und ging weiter Richtung Brücke. Hinter sich hörte er noch ihr Lachen,
spritzig und sprudelnd wie ein kühler Drink vor dem Krieg, und den Klang ihrer
energischen Schritte. Irgendwie hatte er das Gefühl, etwas verpasst zu haben;
was genau, hätte er nicht sagen können. Er blieb nicht stehen und sah nicht,
wie sie die Köpfe zusammensteckten und sich umdrehten, um noch einen Blick auf
den großen jungen Soldaten zu werfen und über sein hübsches Gesicht und die
ernsten dunklen Augen zu tuscheln. Tom konzentrierte sich auf das Gehen,
darauf, einen Fuß vor den anderen zu setzen - genauso, wie er es in Frankreich
getan hatte -, und dachte
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