Morton, Kate
aus, dann noch einmal. Kostete seine
Ausgewogenheit aus, seine zweisilbige Symmetrie, die Art, wie es sich auf der
Zunge anfühlte. Leicht und doch schwer, wie ein Geheimnis, wie ein Wort, das
Liebende sich zuflüsterten. Juniper wollte Liebe, wollte Leidenschaft, wollte
Verwicklungen. Sie wollte leben und lieben, wollte Geheimnisse erlauschen,
wissen, wie andere Menschen miteinander redeten, was sie fühlten, was sie zum
Lachen, zum Weinen, zum Seufzen brachte. Menschen, die nicht Percy oder Saffy
oder Raymond oder Juniper Blythe waren.
Einmal,
als sie noch ganz klein war, war ein Ballonfahrer von den Wiesen in Milderhurst
gestartet. Juniper konnte sich nicht erinnern, warum, ob er ein Freund ihres
Vaters gewesen war oder ein Abenteurer, jedenfalls hatte es zur Feier des
Ereignisses auf dem Rasen am Schloss ein Frühstückspicknick gegeben und alle
waren zusammengekommen, sogar die Vettern und Kusinen aus dem Norden und einige
ausgewählte Leute aus dem Dorf, um dem großen Ereignis beizuwohnen. Der Ballon
war mit dicken Seilen am Boden verankert gewesen, und als die Flamme gezüngelt
hatte und der Korb vom Boden abhob, hatten Männer, die an den Seilen postiert
waren, diese gelöst. Die Seile hatten unter der Spannung gekreischt, die
Flammen waren höher geschlagen, und einen Moment lang, als alle das Schauspiel
mit großen Augen verfolgten, hatte es ausgesehen, als würde es zur Katastrophe
kommen.
Nur eins
der Seile hatte sich gelöst, Ballon und Korb gerieten ins Schlingern, die
Flammen kamen der Ballonhülle gefährlich nah. Juniper hatte ihren Vater
angesehen. Sie war noch ein Kind gewesen und hatte nichts über die Schrecken
seiner Vergangenheit gewusst, erst später sollte er seine jüngste Tochter mit
seinen Geheimnissen belasten, aber in dem Augenblick hatte sie begriffen, dass
er nichts so sehr fürchtete wie Feuer. Als er beobachtete, was sich vor ihnen
abspielte, war sein Gesicht weiß wie Marmor gewesen, in das die Angst tiefe
Furchen gemeißelt hatte. In letzter Minute hatten sich auch die anderen Seile
gelöst, der befreite Ballon hatte sich ausgerichtet und war hoch in den blauen
Himmel aufgestiegen.
Für
Juniper war der Tod ihres Vaters wie das Lösen des ersten Seils gewesen. Sie
hatte die Befreiung gespürt, als ihr Körper, ihre Seele zu schlingern begannen
und ein großer Teil der erdrückenden Last von ihr abgefallen war. Die
restlichen Seile hatte sie selbst gekappt: Sie hatte wahllos ein paar Kleider
in einen kleinen Koffer gestopft, zwei Londoner Adressen eingesteckt und
einen Tag abgewartet, an dem ihre Schwestern so beschäftigt waren, dass sie
unbemerkt ihren Weg zum Bahnhof hatte antreten können.
Nur ein
letztes Seil fesselte Juniper jetzt noch an ihr Zuhause. Es war von Percy und
Saffy sorgfältig vertäut worden und viel schwerer zu lösen als die anderen.
Aber es musste getan werden, denn die Liebe und Sorge ihrer Schwestern
fesselten sie genauso wie die Erwartungen ihres Vaters. Als Juniper in London
angekommen war und, umgeben von Dampfschwaden, im geschäftigen Treiben des
Charing-Cross-Bahnhofs stand, hatte sie sich eine mächtige, glänzende Schere
vorgestellt und das letzte Seil durchtrennt. Sie hatte zugesehen, wie es
erschlaffte, einen Augenblick lang zögerte und dann in der Ferne verschwand
und zum Schloss zurückschnellte wie ein Gummiband.
Endlich
frei, hatte sie sich nach einem Briefkasten erkundigt und den Brief
eingeworfen, in dem sie in knappen Worten erklärte, was sie getan hatte und
warum. Er würde in Milderhurst eintreffen, bevor ihre Schwestern Zeit hatten,
sich allzu große Sorgen zu machen oder einen Suchtrupp loszuschicken, um sie
zurückzuholen. Sie würden sich furchtbar aufregen, das stand außer Frage, vor
allem Saffy würde vor Angst vergehen, aber was sonst hätte Juniper tun sollen?
Eins war
gewiss: Ihre Schwestern hätten sie niemals allein nach London fahren lassen.
Juniper
und Meredith lagen im Park nebeneinander auf dem sonnenverbrannten Rasen, in
den Baumkronen über ihnen spielten Lichtpunkte Fangen. Sie hatten sich nach
Liegestühlen umgesehen, aber die meisten waren kaputt und von anderen Parkbesuchern
an Baumstämme gelehnt worden in der Hoffnung, dass jemand sie reparierte.
Juniper machte es nichts aus, es war sengend heiß, und das Gras und die kühle
Erde darunter fühlten sich angenehm an. Sie hatte eine Hand unter ihren Kopf
geschoben, während sie in der anderen Hand eine Zigarette hielt, die sie
langsam rauchte. Sie schloss
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