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Morton, Kate

Morton, Kate

Titel: Morton, Kate Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Die fernen Stunden
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zu
sehen, ob ich gut untergebracht war.«
    »Ach ja«,
sagte die junge Frau, sagte Juniper Blythe, und als sie sich Tom zuwandte, gab
etwas in ihm nach. Ihm stockte der Atem, als sie lächelte. »Sie sind in meinem
Teich geschwommen.« Es war eine scherzhafte Bemerkung, und wie gern hätte er
leichthin etwas erwidert, gescherzt, so wie früher.
    »Mr.
Cavill ist auch ein Dichter«, sagte Meredith, und ihre Stimme schien von
irgendwo anders zu kommen, von weit her.
    Tom
versuchte sich zu konzentrieren. Ein Dichter. Er kratzte sich die Stirn. Als
solchen betrachtete er sich schon lange nicht mehr. Er erinnerte sich vage,
dass er in den Krieg gezogen war, um Erfahrungen zu sammeln, in dem Glauben, es
würde ihm helfen, die Geheimnisse dieser Welt zu ergründen, die Dinge auf neue,
intensivere Art wahrzunehmen. Und das hatte er getan. Er tat es immer noch.
Nur dass die Dinge, die er gesehen und erlebt hatte, in Gedichten keinen Platz
hatten.
    »Ich
schreibe nicht mehr viel«, sagte er. Es war der erste Satz, der ihm über die
Lippen kam, und er hatte das Gefühl, ihn noch weiter ausführen zu müssen. »Ich
bin mit anderen Dingen beschäftigt.« Er sah jetzt nur noch Juniper an. »Ich
wohne in Notting Hill«, sagte er.
    »Bloomsbury«,
erwiderte sie.
    Er nickte.
Sie hier zu treffen, unter diesen Umständen, nachdem er sie sich so oft und
auf so verschiedene Weise vorgestellt hatte, war ihm fast peinlich.
    »Ich kenne
nicht viele Leute in London«, fuhr sie fort, und er war sich nicht sicher, ob
sie naiv oder sich ihres Charmes vollkommen bewusst war. Was es auch sein
mochte, etwas an der Art, wie sie es sagte, ermutigte ihn. »Sie kennen mich«,
sagte er.
    Sie sah
ihn merkwürdig an, den Kopf geneigt, als lauschte sie Worten, die er nicht
gesagt hatte, dann lächelte sie. Sie nahm einen Notizblock aus ihrer Tasche und
schrieb etwas auf. Als sie ihm den Zettel gab und ihre Finger seine Handfläche
streiften, durchfuhr es ihn wie ein Stromschlag. »Ja, ich kenne Sie«, bestätigte
sie.
    In diesem
Moment und jedes Mal, wenn er sich später an das Gespräch erinnerte, war er
davon überzeugt, dass keine vier Worte jemals schöner geklungen und mehr
Wahrheit enthalten hatten.
    »Sind Sie
unterwegs nach Hause, Mr. Cavill?« Die Frage kam von Meredith. Er hatte ganz
vergessen, dass sie auch noch da war.
    »Ja,
richtig«, antwortete er. »Meine Mutter hat heute Geburtstag.« Er warf einen Blick
auf seine Armbanduhr, aber die Ziffern ergaben keinen Sinn. »Ich sollte mich
auf den Weg machen.«
    Meredith
hob grinsend eine Hand und machte das Victory-Zeichen; Juniper lächelte nur.
    Erst als
er in die Straße einbog, in der seine Mutter wohnte, faltete Tom den Zettel
auseinander. Bis er die Haustür erreichte, hatte er sich die Adresse in
Bloomsbury bereits eingeprägt.
     
    Es war
schon spät, als Meredith endlich allein war und alles aufschreiben konnte. Der
Abend war eine Qual gewesen. Rita und ihre Mutter hatten sich während des
Essens die ganze Zeit gestritten, dann hatte ihr Vater darauf bestanden, dass
sie sich alle zusammen im Radio Churchills Rede über die Russen anhörten, und
anschließend hatte ihre Mutter, die Meredith noch immer wegen des Vertrauensbruchs
am Schloss bestrafte, einen Haufen Socken hervorgekramt, die gestopft werden
mussten. In die Küche verbannt, die wie immer im Sommer einem Brutkasten
glich, hatte Meredith den Tag mehrmals an sich vorüberziehen lassen, um keine
noch so geringe Einzelheit zu vergessen.
    Und dann
endlich hatte sie in die Stille ihres Zimmers entfliehen können, das sie mit
Rita teilte. Sie saß auf dem Bett, den Rücken an die Wand gelehnt, ihr
Tagebuch, ihr kostbares Tagebuch, auf den Knien, und schrieb wie im Rausch die
Seiten voll. Es war richtig gewesen zu warten, Folter hin oder her; Rita
verhielt sich ihr gegenüber in letzter Zeit besonders unausstehlich, nicht
auszudenken, was passieren würde, wenn sie das Tagebuch entdeckte. Gott sei
Dank hatte sie jetzt ungefähr eine Stunde für sich. Rita war es vor einiger
Zeit auf irgendeine unerklärliche Art und Weise gelungen, die Aufmerksamkeit
des Fleischergehilfen von gegenüber auf sich zu lenken. Es musste Liebe sein:
Der Kerl schaffte Würste beiseite, die er Rita heimlich zusteckte. Rita hielt
sich natürlich für die Größte und war felsenfest davon überzeugt, dass die
Hochzeit nicht mehr lange auf sich warten ließ.
    Leider
machte die Liebe sie nicht sanftmütiger. Als Meredith am Nachmittag nach Hause
kam, hatte Rita

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