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Morton, Kate

Morton, Kate

Titel: Morton, Kate Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Die fernen Stunden
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Eine
vernünftige Entscheidung: Das Letzte, was sie gebrauchen konnte, war ein
Gespräch über Junipers Aufenthalt in London. Die Gefahr wäre viel zu groß, dass
sie unabsichtlich verriet, was für Probleme Junipers Eskapade im Schloss
verursacht hatte. Ihr Stolz würde es niemals zulassen, dass darüber etwas nach
außen drang. »Es stimmt, dass wir einen Gast zum Abendessen erwarten, Mrs.
Potts, aber auch wenn es sich um einen Mann handelt, es ist kein Verehrer. Nur
ein Bekannter aus London.«
    »Ein Bekannter?«
    »Ganz
recht.«
    Mrs.
Potts' Augen wurden schmal. »Also keine Hochzeit?« »Nein.«
    »Ich habe
nämlich aus zuverlässiger Quelle gehört, dass es einen Antrag und eine Zusage
gegeben hat.«
    Es war
kein Geheimnis, dass es sich bei Mrs. Potts' »zuverlässiger Quelle« um
geöffnete Briefe und belauschte Telefongespräche handelte, deren Inhalt mit
Querverweisen auf den reichhaltigen örtlichen Klatsch versehen wurde. Percy
ging zwar nicht so weit, die Frau zu verdächtigen, dass sie in der Poststelle
Briefe über Wasserdampf öffnete, bevor sie sie auf ihre Reise schickte, aber es
gab andere im Dorf, die das sehr wohl vermuteten. In diesem Fall allerdings
hatte es nur sehr wenige Briefe gegeben (vor allem nicht von der Sorte, die
Mrs. Potts hätte interessieren können, da Juniper ausschließlich mit Meredith
korrespondierte), sodass das Gerücht jeglicher Grundlage entbehrte. »Ich
glaube, wenn das der Fall wäre, wüsste ich davon, Mrs. Potts«, sagte sie.
»Seien Sie versichert, es handelt sich nur um ein Abendessen.«
    »Ein
besonderes Abendessen?«
    »Ist in
diesen Zeiten nicht jedes Abendessen etwas Besonderes?«, sagte Percy
leichthin. »Man weiß nie, ob es das letzte ist.« Sie nahm der Postmeisterin die
Briefe aus der Hand. Dabei fiel ihr Blick auf die Glasgefäße, die früher auf
dem Tresen gestanden hatten. Die sauren Drops und Karamellbonbons waren längst
alle, aber am Boden eines Gefäßes lagen ein paar zu einem traurigen Haufen
geschmolzene Zuckerstangen. Percy hatte nichts übrig für Zuckerstangen, aber
Juniper war ganz verrückt danach. »Ich kaufe den Rest Ihrer Zuckerstangen.«
    Mit
verdrießlicher Miene löste Mrs. Potts den klebrigen Klumpen vom Boden des
Glasgefäßes und tat ihn in eine Papiertüte. »Das macht sechs Pence.«
    »Also
wirklich, Mrs. Potts«, sagte Percy, während sie den Inhalt der kleinen Tüte
begutachtete, »wenn wir nicht so gute Freundinnen wären, würde ich glatt
denken, Sie wollten mich übers Ohr hauen.«
    Vor
Empörung stotternd wies die Postmeisterin den Verdacht von sich.
    »Das war
doch nur ein Scherz, Mrs. Potts«, sagte Percy und reichte ihr das Geld. Sie
steckte die Briefe und die Tüte mit den Zuckerstangen in ihre Tasche und
schenkte der Postmeisterin ein knappes Lächeln. »Dann auf Wiedersehen. Ich
werde mich in Ihrem Namen nach Junipers Plänen erkundigen, aber ich vermute,
wenn es irgendetwas Wissenswertes gibt, erfahren Sie es sowieso als Erste.«
     
    2
     
    Zwiebeln
waren natürlich wichtig, aber das änderte nichts an der Tatsache, dass ihr
Grünzeug für ein Blumenarrangement einfach nicht taugte. Saffy betrachtete die
dünnen, grünen Triebe, die sie gerade abgeschnitten hatte, drehte sie mal so,
mal so, kniff die Augen zusammen und brachte all ihre Fantasie auf, um sie sich
als Tischschmuck vorzustellen. In der französischen Kristallvase, einem
Erbstück ihrer Großmutter, hätten sie eine geringe Chance, vielleicht wenn man
etwas Buntes dazwischenstellte, um ihre Herkunft zu verschleiern? Oder - allmählich
geriet sie in Fahrt, und sie biss sich auf die Lippe, wie immer, wenn sich
eine gute Idee ankündigte - sie griff das Thema auf, kreierte ein Gebinde aus
Zwiebellaub, Fenchelblättern und Kürbisblüten und betrachtete das Ganze als
ironischen Kommentar zum kriegsbedingten Mangel.
    Sie
seufzte und ließ den Arm sinken, das schlaffe Zwiebelgrün immer noch in der
Hand. Traurig schüttelte sie den Kopf. Was für absurde Gedanken einem doch
durch den Kopf gingen, wenn man verzweifelt war. Das Zwiebellaub war wirklich
nicht zu gebrauchen: Es war nicht nur völlig unpassend für den Zweck, sein
Geruch erinnerte auch, je länger sie es in der Hand hielt, eindeutig an alte
Socken. Ein Geruch, der Saffy durch den Krieg und vor allem durch den
Kriegseinsatz ihrer Zwillingsschwester sehr vertraut war. Nein. Nach vier
Monaten in London, wo sie zweifellos in den elegantesten Bloomsbury-Kreisen
verkehrt hatte, wo sie tapfer die

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