Morton, Kate
Papiere angehalten wurde. Dass das Dorf wegen seines
Übereifers nicht mehr über einen zuverlässigen Postdienst verfügte, schien Mr.
Potts als bedauerliches, aber notwendiges Opfer zu betrachten.
Die Glocke
über der Tür bimmelte, als sie eintrat, und Mrs. Potts blickte abrupt von einem
Stapel Papiere und Briefsendungen auf. Sie wirkte wie ein Kaninchen, das im
Gemüsebeet erwischt wurde, ein Eindruck, den sie durch ein kurzes Schniefen
noch unterstrich. Percy verbarg ihre Belustigung hinter einer liebenswürdig
ernsten Miene, was schließlich auch eine Kunst war.
»Sieh mal
einer an«, sagte die Postmeisterin, die sich als geübte Heuchlerin sofort
wieder im Griff hatte. »Wenn das nicht unsere Miss Blythe ist.«
»Guten
Tag, Mrs. Potts. Irgendwelche Post für uns?«
»Tja, da
werde ich wohl mal nachsehen müssen.«
Die
Vorstellung, dass Mrs. Potts nicht über jede ein- und ausgehende Sendung
bestens informiert war, war wirklich lachhaft, aber Percy spielte mit. »Vielen
Dank«, sagte sie, als die Postmeisterin sich die Kisten auf dem hinteren
Schreibtisch vornahm.
Nachdem
sie die Post übertrieben gründlich durchgesehen hatte, zog sie ein kleines
Bündel Briefe heraus und hielt sie hoch. »So, da hätten wir sie«, verkündete
sie und kehrte triumphierend an den Tresen zurück. »Außerdem ist für Miss
Juniper ein Päckchen eingetroffen - von Ihrer kleinen Londonerin, wie es
aussieht; unsere Meredith ist also wieder glücklich zu Hause angekommen?« Percy
nickte ungeduldig, und Mrs. Potts fuhr fort: »Ein handschriftlich adressierter
Brief für Sie und einer für Miss Saffy, mit Schreibmaschine getippt.«
»Sehr
schön. Lohnt sich kaum, die zu lesen.«
Mrs. Potts
legte die Briefe säuberlich nebeneinander auf den Tresen und stützte sich mit
den Händen darauf. »Ich nehme an, im Schloss ist alles in Ordnung?«, sagte sie
mit mehr Anteilnahme, als man bei so einer harmlosen Frage erwarten würde.
»Sehr gut,
danke. Wenn ich jetzt ...«
»Wie ich
höre, kann man gratulieren.«
Percy
atmete ungehalten aus. »Gratulieren?«
»Hochzeitsglocken«,
sagte Mrs. Potts auf diese ärgerliche Art, die sie perfektioniert hatte, über
ihr unrechtmäßig erworbenes Wissen zu frohlocken und im selben Atemzug nach
mehr zu bohren. »Oben im Schloss«, wiederholte sie.
»Vielen
Dank, Mrs. Potts, aber ich bin heute ebenso wenig verlobt, wie ich es gestern
war.«
Einen
Moment lang überlegte die Postmeisterin, dann brach sie in schallendes
Gelächter aus. »Also, Sie sind mir ja eine, Miss Blythe! Ebenso wenig verlobt
wie gestern - das muss ich mir merken.« Nachdem sie genug gelacht hatte, zupfte
sie ein spitzenbesetztes Taschentüchlein aus ihrem Rock und trocknete sich die
tränenden Augen. »Aber«, sagte sie, während sie weitertupfte, »ich habe doch
nicht Sie gemeint.«
Percy tat
überrascht. »Nicht?«
»Meine
Güte, nein, weder Sie noch Miss Saffy. Ich weiß, dass Sie beide nicht vorhaben,
uns zu verlassen, Gott segne Sie beide.« Noch einmal wischte sie sich die
Wangen. »Ich habe von Miss Juniper gesprochen.«
Percy
konnte nicht umhin, das Knistern zu spüren, das in der Luft lag. Die Worte
waren wie elektrisch aufgeladen, und Mrs. Potts war ein natürlicher
Stromleiter. Es war schon immer viel über Juniper geredet worden, vor allem,
als sie noch klein gewesen war. Und ihre kleine Schwester hatte in der Tat
reichlich Anlass dazu gegeben; ein Kind, das regelmäßig in Ohnmacht fiel, wenn
es sich aufregte, brachte die Leute zum Tuscheln, und über kurz oder lang
fingen sie an, ihr übersinnliche Fähigkeiten anzudichten. Und so sicher, wie
die Bienen die Blumen bestäubten, wurde schließlich alles Seltsame und Unerklärliche,
das im Dorf passierte - das mysteriöse Verschwinden von Mrs. Flemings frisch
gewaschener Wäsche, die Tatsache, dass die Vogelscheuche des Bauern Jacob
plötzlich eine lange Damenunterhose trug, der Ausbruch einer Mumpsepidemie -,
Juniper zugeschrieben.
»Miss
Juniper und ein gewisser junger Mann?«, bohrte Mrs. Potts weiter. »Ich habe
gehört, dass im Schloss bereits die nötigen Vorbereitungen getroffen werden.
Ein junger Mann, den sie in London kennengelernt hat?«
Die
Vorstellung war absurd. Juniper war nicht für die Ehe bestimmt: Es war die
Poesie, die das Herz ihrer kleinen Schwester höherschlagen ließ. Percy war
versucht, sich noch ein bisschen auf Kosten der neugierigen Mrs. Potts zu
amüsieren, aber ein Blick auf die Wanduhr ließ sie davon Abstand nehmen.
Weitere Kostenlose Bücher