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Morton, Kate

Morton, Kate

Titel: Morton, Kate Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Die fernen Stunden
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Im
Gegenteil. Niemand ließ sich so bereitwillig von einem besonderen Ereignis in
hektische Betriebsamkeit versetzen wie Saffy, und seit Juniper ihnen mitgeteilt
hatte, dass sie einen geheimnisvollen Gast eingeladen hatte, war klar gewesen,
dass dem Ereignis, wie es fortan genannt wurde, die komplette
Seraphina-Blythe-Behandlung zuteilwerden würde. Saffy war sogar auf die Idee
gekommen, das Krönungsbriefpapier ihrer Großmutter, oder was davon noch übrig
war, auszupacken und Tischkärtchen daraus zu basteln, aber Percy hatte sie
davon überzeugen können, dass bei vier Personen, von denen drei Schwestern
waren, ein derartiger Aufwand überflüssig war.
    Jemand
berührte sie am Unterarm, und als sie hinschaute, sah sie, dass die kleine alte
Dame, die neben ihr saß, ihr eine offene Konservendose hinhielt und sie mit
Blicken aufforderte zuzugreifen. »Mein eigenes Rezept«, sagte sie gut gelaunt.
»Kaum Butter, aber gar nicht so schlecht, muss ich sagen.«
    »Oh«,
sagte Percy. »Nein danke. Behalten Sie die lieber für sich selbst.«
    »Nehmen
Sie nur.« Die Frau hielt ihr die Dose ein bisschen dichter unter die Nase,
während sie anerkennend ihre Uniform betrachtete.
    »Also
gut.« Percy nahm einen Keks und biss hinein. »Köstlich«, sagte sie und dachte
wehmütig an die herrliche Zeit zurück, als sie noch Butter gehabt hatten.
    »Sie sind
beim Sanitätsdienst?«
    »Ich bin
Fahrerin. Das heißt, ich war Fahrerin. Während der Bombardements. In letzter
Zeit bin ich aber meistens damit beschäftigt, die Wagen zu waschen.«
    »Sie
finden bestimmt eine andere Möglichkeit, unserem Land zu dienen. Ihr jungen
Leute seid doch nicht zu bremsen.« Dann schien ihr eine Idee zu kommen, und
ihre Augen weiteten sich. »Aber ja, Sie könnten sich einem Nähkränzchen
anschließen! Meine Enkelin ist Mitglied bei den >Stitching Susans<, bei
uns zu Hause in Cranbrook, Sie glauben ja nicht, was diese Mädels leisten.«
    Abgesehen
davon, dass sie für Nadel und Faden nichts übrighatte, fand Percy die Idee,
sich nach einer anderen Tätigkeit umzusehen, grundsätzlich gar nicht so übel.
Vielleicht sollte sie ihre Energien auf ein anderes Ziel lenken - Fahrerin für
irgendeinen Politiker, oder sie könnte lernen, Bomben zu entschärfen, ein
Flugzeug zu fliegen, Verwundete zu bergen, irgend so etwas. Dann würde sich
ihre schreckliche innere Unruhe vielleicht legen. Sosehr es ihr auch
widerstrebte, es sich einzugestehen, hatte sie doch allmählich das Gefühl,
dass Saffy die ganzen Jahre über recht gehabt hatte: Sie war der geborene
Flickschuster. Ein Kleid nähen konnte sie nicht, das Kreative lag ihr nicht.
Aber dafür besaß sie ein ausgesprochenes Geschick im Reparieren von allem
Möglichen, und sie war am glücklichsten, wenn man ihr irgendetwas gab, das in
Ordnung gebracht werden musste. Was für ein deprimierender Gedanke.
    Der Bus
rumpelte um die nächste Kurve, und endlich kam das Dorf in Sicht. Schon bald
konnte Percy ihr Fahrrad sehen, das an der alten Eiche vor der Post lehnte, wo
sie es am Morgen abgestellt hatte.
    Nachdem
sie sich noch einmal für den Keks bedankt und feierlich versprochen hatte, sich
nach dem örtlichen Nähkränzchen zu erkundigen, stieg sie aus und winkte der
alten Dame zu, als der Bus Richtung Cranbrook weiterfuhr.
    Der Wind
hatte zugenommen, seit sie in Folkestone losgefahren waren, und Percy schob
die Hände in die Hosentaschen. Sie lächelte den mürrischen Damen Blethem zu,
die beide gleichzeitig tief Luft holten, ihre Einkaufsnetze an sich drückten,
ihr knapp zum Gruß zunickten und sich eilig auf den Heimweg machten.
    Zwei Jahre
Krieg, und immer noch gab es Leute, für die der Anblick einer Frau in Hosen das
Nahen der Apokalypse signalisierte. Die Gräueltaten in der Heimat und anderswo
waren nichts dagegen. Percy fühlte sich angenehm aufgemuntert und fragte sich,
was daran falsch sein sollte, stolz auf ihre Uniform zu sein, allein schon
wegen der Wirkung, die sie auf die Miss Blethems dieser Welt hatte.
    Es war
schon spät am Tag, aber es bestand durchaus die Möglichkeit, dass Mr. Potts die
Post noch nicht im Schloss abgeliefert hatte. Es gab nur wenige Männer im Dorf
- und im ganzen Land, darauf würde sie wetten -, die ihren Dienst an der
Heimatfront mit derartigem Enthusiasmus versahen wie Mr. Potts. Er war so
unermüdlich in seinem Bestreben, die Nation zu schützen, dass man sich
regelrecht missachtet fühlte, wenn man nicht mindestens einmal im Monat von ihm
zur Überprüfung der

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